Warum es kontraproduktiv ist, 
alles zu optimieren

Was vielfach unter Selbstmanagement verstanden wird, lässt sich sehr gut mit der Apple Watch veranschaulichen. Sie ist ein technisches Meisterwerk, das mir eine ganze Palette von Daten verfügbar macht. In dieser Weise das eigene Leben zu optimieren, macht mächtig Spass. Es bringt ein grosses Mass an Selbstwirksamkeitserfahrung mit – das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Das ist ein urmenschliches Bedürfnis.

Ein fragiles System

Die Apple Watch steht aber auch für das einseitige Verständnis von Selbstmanagement, das nur die Optimierung im Blick hat. Die bestehenden Engagements werden nie grundsätzlich in Frage gestellt, sondern lediglich optimiert. Diese kontinuierliche Zuspitzung kann zu massivem Stress führen. Das System wird fragil und störungsanfällig. Wie ein auf Höchstleistung getrimmter Formel-1-Motor, der bei der kleinsten Unregelmässigkeit aussteigt.

Dabei ist die Fragilität unseres überoptimierten Lebens erst der Anfang. Der deutsche Soziologe Hartmut Rosa kritisiert, dass unser Streben nach Optimierung schliesslich in der totalen Entfremdung endet. Dieser Entfremdung stellt Rosa seinen Ansatz der «Resonanz» entgegen, eine Art von Beziehung, in der beide Seiten sich wechselseitig anregen.

Die Resonanztheorie von Hartmut Rosa weist aus christlicher Sicht verschiedene Anknüpfungspunkte aus, etwa die Spannung zwischen Schöpfer und Geschöpf, zwischen Selbstwirksamkeit und Unverfügbarkeit. Der christliche Glaube sagt, dass man sich die Liebe von Gott nicht verdienen kann. Sie beruht nicht auf Leistung, sondern ist geschenkt: «Christianus est homo mere passivus, non activus, der ym nur lesst geben», schreibt Luther dazu. Wie aber lässt sich eine solche Spannung im Alltag konstruktiv halten? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es einen mehrstufigen Lösungsansatz erfordert. Zum Beispiel die Sabbatruhe.

Sabbatruhe

Die Grundidee des Sabbat ist ein Kontrapunkt zum Materialismus. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es blanker Wahnsinn, einen Siebtel unserer Lebenszeit nicht produktiv zu sein. Doch diese Ungeheuerlichkeit kann eine wichtige, kritische Distanz zum System schaffen, in dem wir leben. «Man geht vom unerbittlichen Schaffen dazu über, sich selbst als eine Schöpfung zu fühlen», sagt der Philosoph und Rabbiner Jonathan Sacks dazu.

Für meine persönliche Sabbatruhe haben sich zwei Prinzipien herauskristallisiert: Erstens die Freude, zweitens die Beziehungspflege. Im Schöpfungsbericht lesen wir, wie Gott nach getaner Arbeit nicht einfach die Werkstatt verlässt, sondern innehält und sich am Ergebnis freut. «Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut» (Genesis 1,31). Davon kann ich mir ein Stück abschneiden.

Die Frage nach der Beziehungspflege ist hilfreich bei der konkreten Planung eines Ruhetages: Welche Aktivitäten sind beziehungsfördernd, welche eher nicht? Was hilft mir, die Beziehung zu Gott, zu anderen und mir selbst zu vertiefen? Wo ist es an der Zeit, neue Beziehungen einzugehen – und wo braucht es mehr Qualität statt Quantität?