Cornelia Grzywa schafft Holzskulpturen und Wortwerke

 

Nach ihrem Studium in Kommunikations­design arbeitete Cornelia Grzywa als Grafikerin, Illustra­torin, Buchautorin und Fotografin. 2009 fand sie ihre ganz eigene Sprache: Aus Hölzern, mit Worten und Licht schafft sie Skulpturen, Texte und Fotografien.

Cornelia, was für ein Kind warst du?

Eins, das ständig draussen in der Natur war. Und – dank den Karl May-Büchern meines Vaters und ein, zwei Jungs in der Nachbarschaft – lieber Indianer als mit Puppen gespielt hat. Ich war eher allein, nicht so mittendrin, was auch mit meinem Leben auf dem Dorf als Kind einer Lehrerin zusammenhing. Eine Freundin hatte ich erst in der Stadt, wo ich später zur Schule ging, und der Bus fuhr nur selten. Da blieb viel Zeit zum draussen sein. Und fürs Lesen – meine zweite grosse Leidenschaft!

Hat Gott in deiner Kindheit auch schon eine Rolle gespielt?

Ja, ich bin traditionell christlich aufgewachsen und musste jeden Sonntag in die Kirche. Das hat mich nicht immer begeistert. Meine Oma aber war für mich ein fröhliches Glaubensvorbild, auch in ihrer Dankbarkeit. Bei ihr habe ich die ‘Gute Nachricht’-Bibel entdeckt, deren Sprache mich komplett gepackt hat. Endlich mal Bibel, die direkt vom Blatt ins Herz geht, ohne Umweg über den Kopf! In dieser Erfahrung liegt sicher einer der Auslöser für meine heutigen Texte, die einfach und verständlich sein sollen. In meiner Jugendgruppe in der Stadt habe ich dann Anschluss an Jesus gefunden. Meine Freundin, Bücher über die Jesus-People und Jugendliche, die mich mit ihrer Jesus-Faszination angesteckt haben, waren wichtige Eckpunkte zu Beginn meiner Glaubensreise.

Von welchem Beruf hast du als Jugendliche geträumt?

Ornithologin, Paläontologin, Geologin – mich hat die Natur, das Beobachten und Entdecken begeistert. Bis ich dann kapieren musste, dass es für diese Berufe mehr mathematischen Verstand braucht, als ich habe… Mit sechzehn, siebzehn ging’s dann in Richtung Kunst: Gezeichnet habe ich schon immer gerne und gut.

Was ist Kunst für dich? Was macht dich zur Künstlerin?

Kunst inspiriert mich, ist wunderbar, schön, spannend. Ausstellungen, besonders mit ganz frischer Kunst, brauche ich immer wieder. Sie sind eine unerlässliche Inspirationsquelle für mich. Zur Künstlerin macht mich auch, dass da ‘was raus muss’. Ich will etwas ausdrücken. In meinem Fall bedeutet das eben, von Gott zu erzählen, mit meinen Mitteln. Kunst schaffen ist sicherlich auch Begabung, vor allem aber sehr, sehr viel Übung. Wenn ich längere Zeit nicht zeichne, entsteht nur seelenloses Gekritzel. Ebenso darf ich das Gestalten mit Holz oder den Umgang mit Texten nicht vernachlässigen. Gestalten kommt vom Gestalten, Schreiben vom Schreiben. Darüber hinaus empfinde ich, dass Gott mich persönlich zur Künstlerin macht – mein Schaffen ist für mich mehr als nur ein Beruf, es ist eine Berufung.

Kreatives Schaffen beinhaltet verschiedene Aspekte: Sehnsucht haben, anfangen, üben, Hürden überwinden, Wüstenzeiten aushalten. Wie gelingt dir dieser Balanceakt?

Durch Dranbleiben an Jesus: täglich neu Zeit mit ihm verbringen, mit ihm ins Gespräch kommen, Bibellesen und dazu schreiben, jeden Morgen. Diese Begegnung mit Gott ist für mich grundlegend, ein Tag ‘ohne’ fühlt sich irgendwie hungrig an. Weiter beginne ich jedes neue Jahr mit Schweigetagen mit Gott. Das ist mein Urlaub mit ihm persönlich. Danach habe ich das Gefühl, innerlich ‘frisch geputzte Fenster’ zu haben – ich nehme Gott wieder klarer wahr, kann seine Stimme besser hören, bin wieder enger mit ihm verbunden und dadurch bereit, das neue Jahr anzupacken. Diese beiden Unverzichtbarkeiten tragen und durchdringen mein kreatives Schaffen.

Deine Texte wurzeln oft in Bibelversen. Welche Rolle spielt die Bibel in deinem Leben?

Die Bibel ist die Grundlage meines Schaffens. Sie ist richtig gute Nahrung, Inspiration, Gott pur. Ohne Bibel hätte ich wenig zu sagen und zu gestalten, es bliebe reine Oberfläche oder Selbstdarstellung. Bibelworte fallen mir oft ein, wenn ich mich nach Gott ausstrecke. Er lässt sie mir ‘einfallen’. Was mich besonders fasziniert, ist, wie sich im Laufe der Jahre Verbindungen quer durch die Bibel bilden, mein ‘geistliches neuronales Netzwerk’ sozusagen. Eins, das immer kräftiger und zugleich durchlässiger, besser leitend wird, je älter ich werde und je länger ich mit der Bibel unterwegs bin.

Du bist kein Mensch, der das Leben weichzeichnet. In deiner Arbeit beschreibst du immer wieder auch Spannungsfelder im (Glaubens)Leben. Auf welche schmerzlichen Etappen auf deinem Weg blickst du zurück?

Hm. Ich finde nicht, dass ich einen sehr schwierigen Lebensweg hatte. Früher habe ich mich gerne als Sonntagskind bezeichnet (was ich auch bin). Klar gab es auch in meinem Leben Durststrecken, z.B. als ich erkennen musste, dass Fotografie allein als Beruf für mich erfolglos blieb. Auch familiäre Herausforderungen machen mir immer wieder zu schaffen. Grundsätzlich aber bin ich dankbar für mein Leben. Was ich oft erlebe, ist, dass mir das Schicksal anderer Menschen so nahegeht, dass deren Nöte in mein Gestalten und Schreiben miteinfliessen. Und ich hab’s mit mir selbst manchmal nicht leicht. Das Gefühl keine Zeit zu haben, ist beispielsweise Thema in meinen Texten oder auch das Ringen um Vertrauen.

Gottvertrauen zieht sich wie ein roter Faden durch deine Texte. Zugleich ist der Schritt aufs Wasser mitunter eine der schwierigsten Lektionen in der Christus-Nachfolge. Was stärkt dein Vertrauen?

Mein Vertrauen wird gestärkt, wenn ich dicht an Jesus dranbleibe, meinen Blick immer wieder weg vom Schwierigen, hin zu Jesus richte, innerlich, aber auch äusserlich, in den Himmel schaue. Oft stelle mir vor ein Schaf zu sein, das dem guten Hirten Jesus nachläuft. Mein Vertrauen stärkt auch das Wissen, dass andere für mich beten; und die Erfahrung wie sehr mir schon geholfen wurde und wie grossartig Gott eingreifen kann.

In deiner Werkstatt bist du von Holz umgeben, in deiner Schreibstube von Büchern. Aus welchem Holz bist du geschnitzt?

Eine gute Frage. Aus einem auf den ersten Blick unscheinbaren Holz. Eins, das aber was aushält und durch seine Widerstandsfähigkeit überzeugt. Hoffentlich mit einer schönen Maserung …

Und was bedeuten dir Worte?

Worte bedeuten mir viel. Gute Bücher, treffende Formulierungen berühren und begeistern mich. Schlecht gewählte Worte, langweilig geschriebene Bücher ärgern mich und ich lege sie sofort weg. Frei nach dem Motto: «Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher.» Mit mir selbst bin ich kritisch, was meine Texte anbelangt: Sie sollen für alle verständlich, aber dennoch vielschichtig sein, sollen Rhythmus und Gehalt haben und auch aufs zweite und dritte Lesen hin noch Entdeckungen bieten. Gute Worte in Begegnungen und Briefen berühren mich. Sie sprechen mir Mut zu, vermitteln Zuneigung und Wertschätzung. Ich glaube, jeder Mensch braucht dringend lebenspendende Worte – auch Gottesworte. Das meint wohl auch Jesus, wenn er in Matthäus 4 sagt: «Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Munde Gottes kommt.» Ich selbst bin oft zu schnell mit Worten, die mir dann hinterher leid tun oder mich noch länger beschäftigen.

Wie gehst du als eher introvertierter Mensch mit Publikum, Rampenlicht und Sichtbarkeit um?

Schwierig finde ich es nur, wenn Menschen sich zu sehr auf mich und mein Schaffen fixieren, mich mit ihrer Bewunderung auf einen Sockel stellen. Das konnte ich schon als Kind nicht leiden. Im Rahmen meiner Arbeit sind Rampenlicht und Sichtbarkeit grundsätzlich nicht schlimm, im Gegenteil, ich schätze es, bei Ausstellungen und Führungen mal richtig unter die Leute zu kommen. Es ist mir ein willkommenes Kontrastprogramm zum stillen, einsamen Vor-mich-hin-Schaffen. Besonders bei den Führungen bin ich mit Gott und Menschen unterwegs und erlebe mich selbst als direkt geführt. In solchen Momenten bin ich auch evangelistisch tätig: Ich verbinde das Erzählen von Bibel­texten mit eigenem Erleben, mit der Entstehung der Skulpturen und Texte – mit Gott.

Öffentliche Aufmerksamkeit ist ein Privileg mit Nebenwirkungen. Was bedeutet dir Lob? Und wie gehst du mit Kritik um?

Ich geniesse es, so viel gute Rückmeldung zu meiner Arbeit zu bekommen. Das ist ein Privileg, das nicht viele Künstler haben. Kritik ist, glaube ich, immer schwierig und mit Grübeln verbunden. Ich gebe in meiner Kunst ja ein Stück von mir selbst, also geht mir Kritik auch persönlich nahe. Bei einer gewissen Art ‘belehrender Kritik’ reagiere ich ziemlich allergisch, weil sich da Menschen ein Wissen über mich und meine Arbeit anmassen, das sie gar nicht haben können – sie sind nicht ich. Aber das kommt eigentlich sehr selten vor.

Grzywa (sprich: Schiwa) ist ein besonderer Nachname. Auf welche Wurzeln weist er hin? Magst du deinen Namen?

Mein Nachname ist polnisch, er kommt von schlesischen Vorfahren meines Mannes. Ich mag ihn, weil er ungewöhnlich ist. Eher ein Pluspunkt, wenn man künstlerisch unterwegs ist.

Zu Hause im Unterallgäu pflegst du mit viel Leidenschaft einen grossen Garten. Was gefällt dir am besten: Säen, beim Wachsen zuschauen oder ernten?

Säen, wachsen lassen, ernten – alles finde ich schön. Auch stundenlang über dem Katalog meiner Lieblingsstaudengärtnerei zu brüten, zu planen, mir Neues zu wünschen – und dann tatsächlich hinzufahren und mir aus der Fülle der Herrlichkeiten etwas auszusuchen. Vermutlich ist aber fast das Schönste für mich, Kompost herzurichten. Ihn zu sieben, zu riechen, auszubringen. Mich zu erden, im wahrsten Sinne des Wortes.

Seit fast vierzig Jahren ist dein Mann Wolfgang an deiner Seite. Was hat er, das du nicht hast? Was verbindet euch?

Wolfgang ist unglaublich grosszügig, hilfsbereit und loyal. Er ist von uns beiden der Logiker (mit einer anderen Logik als der meinen), der technisch
Kreative, ohne den meine Ausstellungen kaum realisierbar wären. Er erweist sich immer wieder als guter Berater, handelt und arbeitet blitzschnell. Und: Er ist leidenschaftlicher Jäger. Unsere stärkste Verbindung ist Jesus. Klingt vielleicht abgedroschen, ist aber sehr wahr und hält unsere so unterschiedlichen Charaktere zusammen. Ja, uns verbindet der Glaube, aber auch die Liebe zum Schönen, zu gutem Design, zu Architektur. Wir sind gern gemeinsam unterwegs, um Neues zu entdecken.

2019 hast du im Campo Rasa deine Holzfiguren und Texte ausgestellt, zwei Jahre später gemeinsam mit mir eine Wortwerkstatt geleitet. Was verbindet dich mit der VBG?

Mit der VBG verbinden mich viele Jahre wunderbarer Familienurlaub in Moscia. Dort habe ich Conny und Peter Flückiger und Ruth Maria Michel kennengelernt – das sind bis heute wertvolle Beziehungen. Die VBG hat so eine tiefe und zugleich offene Art vom Glauben an Jesus zu erzählen. Das Kursangebot ist spannend. Besonders von den Enneagramm-Kursen profitiere ich immer noch. Zur VBG kann ich Menschen ein­laden, die Suchende und Fragende sind – ein nicht so häufiges Angebot in frommen Kreisen. Die Wortwerkstatt, die wir dieses Jahr zum zweiten Mal anbieten, war für mich eine neue Erfahrung: Jemandem etwas beizubringen, ist eigentlich so gar nicht mein Ding, ich bin keine Lehrerin. Aber Menschen zu inspirieren und zu ermutigen, das ist wunderbar. Begeisterung zu teilen und zu entfachen. Und zu entdecken, welcher besondere Schatz in anderen steckt.

Ein Anliegen der VBG ist es, Glauben und Denken zu verbinden. Was fällt dir leichter: Glauben oder denken?

Lässt sich denn eins von beiden abstellen? Trotzdem: Glauben ist für mich nicht verstandesbasiert, Glaube ist Beziehung, Erkennen, Eintauchen, Jesus nachlaufen… Das Denken dazu kann spannend sein, ist aber nicht meine Basis mit Gott. Oder doch? Genau genommen ist das Bibellesen für mich die perfekte Mischung aus Glauben und Denken. Auch meine Texte entstehen natürlich nicht ‘gedankenlos’. Aber geführt, geglaubt, vertraut.