Krieger oder Softie?
Was einen echten, gereiften Mann ausmacht, lässt sich in Anlehnung an C.G. Jung in vier archetypischen Bildern beschreiben. Drei dieser vier Grundtypen sind bei normaler Entwicklung in jedem Mann ausgebildet. Der Weg zur gereifter Männlichkeit verläuft über die Suche und Integration des vierten, fehlenden Archetypen.
Die vier Archetypen sind der väterliche König, der Krieger, der Prophet und der Liebhaber. Jeder Grundtyp, der nicht durch seinen Gegenpol Ergänzung findet, droht in seinen Schatten abzugleiten. Ein König, der sich nicht vom Propheten sagen lässt: «Was du getan hast, war falsch», wird leicht zum Tyrannen, der sich über alle Gesetze erhaben fühlt. Oft sind es unsere Angehörigen, die uns den Spiegel vorhalten und uns davor bewahren, uns in diese Rolle zu verlieben. Als geistliche Grundübung soll der König Segen empfangen und Segen weitergeben; und seine Grundaufgaben lauten: Klarheit und Recht verbreiten, Sicherheit verströmen und einen geschützten Raum zur Entfaltung seiner ihm Anvertrauten bieten.
Umgekehrt wird der Prophet durch seine Unabhängigkeit leicht zum distanzierten Nörgler, wenn es ihm nicht gelingt die väterliche Energie der Verantwortlichkeit zu integrieren. Positiv gesehen erlaubt ihm seine Unabhängigkeit, gefragt oder ungefragt, die Wahrheit zu sagen. Doch wenn ein Mann nie mit der eigenen Fähigkeit zum Bösen konfrontiert wurde und darüber Schmerz und Reue empfunden hat, wird er nie zum Propheten in sich gelangen. Seine geistliche Grundübung besteht daher in der Gewissenserforschung und Beichte.
Kämpfen und lieben
Auch der Krieger muss sich immer seinem Gegenpol zuwenden, dem Liebhaber. Ein altes Sprichwort sagt: «Einem Krieger, der nicht tanzen kann, gib kein Schwert.» Ohne Integration der Liebhaber-Verletzlichkeit wird im Leben eines solchen Mannes alles zum Kampf. Der gute Krieger fragt daher: Wofür muss ich kämpfen? Und noch entscheidender: Wem dient mein Kampf? Krieger, die nur sich selbst oder gar einem schlechten Herrn dienen, pervertieren hin zur dunklen Seite. Gute Krieger haben ein Ziel und genügend Selbstdisziplin, ihr Leben danach auszurichten. Wem diese Seite fehlt, der besitzt keine Energie für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. So besteht die Grundübung auf dem Weg zur Integration des Kriegers in der Disziplin und der ständigen Ausrichtung auf den Herrn, der das Ziel jedes Kampfes vorgibt.
Liebhaber ohne Krieger-Energie wiederum verwandeln sich in Softies, die für nichts mehr kämpfen, oder gar in Süchtige, die allem nachgeben. Andererseits bleiben alle Beziehungen ohne die Grundfarbe der Verletzlichkeit herzlos – es fehlt die Leidenschaft. Augustinus sagte: «Zeige mir einen verliebten Menschen, und ich zeige dir einen Menschen auf dem Weg zu Gott.» Der Liebhaber verleiht allem Geschmack und Schönheit. Ohne ihn ist alles mehr oder weniger langweilig. Und erst der Liebhaber lässt uns emotional so anwesend sein, dass wir uns in unserem Glauben und unseren Gesprächen auf die intime Ebene einlassen können, in der wir verletzlich sind.