Ein Frühwarnsystem für Paare

Das praxisorientierte Buch des Schweizer Paar- und Familienberaters will Hilfe bieten, Risse in der Partnerschaft und mögliche Partnerschaftskiller rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Anhand von Gesprächen und Situationen konkreter Paare steht immer wieder die Frage im Zentrum: «Wie gut geht es unserer Beziehung?»

Peter Angst: Ehen zerbrechen leise. Ein Frühwarnsystem für Paare.

Bern: Zytglogge 2001, 180 Seiten.
ISBN 3729606174

Die Liebe zerbricht nicht mit einem grossen Knall, sondern langsam und fast unmerklich leise! Es ist beunruhigend, zu erfahren, wie erschreckend früh sich Beziehungen zu zersetzen und zu zerbrechen beginnen. Meist werden bei gefährdeten Paaren die ersten Risse und Beziehungsbrände gar nicht wahrgenommen. Sie werden erst einmal verdrängt, obwohl sie anfangs noch leicht angegangen werden könnten, wenn sie nur rechtzeitig von beiden Partnern wahrgenommen würden. (Tatsache ist: Männer verdrängen länger als Frauen.) Allerdings haben wachsame Paare gute Chancen, dass es nicht so weit kommt.

Das Buch soll als Hausapotheke für eine Langzeit-Beziehung dienen. Es soll auch die Angst vor dem Hinsehen nehmen, denn Krisen gehören nun einmal zu Beziehungen.

1. Einleitung

Partnerschaftskiller

  • Einseitige Opfer- und Täterrollen
  • Zu dominanten Partner: Mutter-Sohn- oder Vater-Tochter-Beziehungen gehören nicht in die Ehe.
  • Revierverletzungen: Es müssen einander eigene Räume und Bereiche zugestanden werden.
  • Gute Zäune ergeben gute Paare.
  • Einander immer umkrempeln wollen: Menschen ändern sich nur in einem Milieu der Akzeptanz. Wer einen Frosch geheiratet hat, soll nicht einen Prinzen aus ihm machen wollen.
  • Wenn Lasten nicht fair verteilt sind: Es muss verhandelt werden.
  • Wenn sich Entwertung und Gleichgültigkeit einschleichen.
  • Eheprobleme mit Dritten, statt mit dem Partner besprechen: Es ersetzt nie das Gespräch mit dem Partner.
  • Ehetherapie nur mit einem Partner: Oft drücken sich die Männer.
  • Allgemeine Krisen – und Übergangszeiten: Vom Liebespaar zum Elternpaar; Midlifekrisen; Kinder fliegen aus; Pensionierung.
  • Zwei Häuptlinge in einem Zelt: Partnerschaftlicher Umgang muss erlernt werden.
  • Extreme Denk- und Glaubensentwicklungen eines Partners: Missionierung des Partners; Selbstverwirklichung, Bauchnabeldenken: „Stimmt es für mich?“ statt „ … für uns?“

Es geht nicht darum alle Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen, sondern zu lernen mit ihnen umzugehen.

Denkanstösse für bessere Beziehungen

  • Niemals sind zwei Menschen identisch, und darum ist es für Paare wichtig zu lernen, Kompromisse zu finden.
  • Hilfreich ist aufgrund einer besseren Selbstwahrnehmung einander Anliegen, Bedürfnisse und Wünsche transparenter zu vermitteln.
  • Viele Paare bewegen sich nicht, weil wie Angst vor Veränderungen haben. Sie glauben, mit dem „Stillsitzen“ die Liebe zu erhalten. Sie vergessen aber, dass Liebe Bewegung braucht. Dem Liebesfeuer muss immer wieder etwas Brennbares nachgelegt werden, damit es nicht erlischt.

Weniger mogeln bei der Partnerwahl

Suchende Menschen konstruieren den Partner, den sie zu lieben meinen, oft selbst und wollen ihn nicht so erkennen, wie er wirklich ist (vgl. Partnerschaftsinserate). Jeder möchte eine gute Partie machen. Auf unserer unvollkommenen Erde zeichnet sich aber eine Tragik ab: Vergleichbar mit einer Pyramide gibt es in den unteren Schichten (bei den Fröschen) viel mehr Suchende als in den oberen (bei den Prinzen). Aber alle schreien nach Vollkommenheit. Es hat aber nun mal ziemlich viele Früchte mit kleinen Fehlern – obwohl heute alles ohne Fehler und im Glanzpapier daherkommt. Wir müssen daher schon ganz am Anfang genau hinsehen und weniger mogeln. Meist sind die ersten Eindrücke und Gedanken gar nicht so falsch, und sollten ernst genommen werden. Es lohnt sich richtig hinzugucken und das Positive wie das Negative der ersten Beobachtungen auch wirklich ernst zu nehmen.

2. «Schon unsere Heirat war auf einer Lüge aufgebaut»

Menschen begegnen einander mit ähnlichen Defiziten und hoffen, einander möglichst subito diese Mankos abzudecken. Das genügt aber nicht für die lange Reise. Es muss auch Neugier, echtes Interesse und Liebe für den anderen Menschen im Spiel sein. Ebenso gehört auch Leidenschaft dazu – auch wenn sie meistens nicht für die Ewigkeit ist, sollte sie doch zu Beginn nicht fehlen. Die Erinnerung daran ist eine immer wieder erneuerbare Energiequelle.

Es ist gefährlich, wenn man in Beziehungen hofft, das Fehlende würde sich dann schon noch einfinden. Vor allem, wenn es sich um zentrale Grundbedürfnisse geht.

Schon beim Auswählen des Partners gilt es zu bedenken:

  • dass Gegensätze zwar faszinierend sind, aber in Beziehungen mit zu grossen Kontrasten oft zu keinem Zusammenspiel kommen.
  • dass mit zu hohen Erwartungen die Frustrationen nicht lange auf sich warten lassen.
  • dass gerade durch zuviel Nähe die Liebe erstickt wird.
  • dass durch zu wenig Beachtung von Kleinigkeiten und dem rechtzeitigen Reden darüber die Liebe verkümmert.
  • dass heimtückische Altlasten die junge Partnerschaft bald gefährden können.

3. «Ich bin enttäuscht von dir!»

Wir plagen einander fast zu Tode mit dem grausamen Spiel der zu hohen Erwartungen. Als wäre es nicht genug, deklariert man den anderen noch zum ewigen Frosch und Versager. Viele Enttäuschte ziehen es dann vor, aus dem Teufelskreis der Forderungen auszusteigen und in die Einsamkeit zu flüchten.

Von inneren, allzu romantischen Bildern angetrieben und von der Werbung verführt, produzieren wir gegenseitig immer verrücktere Erwartungen und hinterlassen ungenügende Ehen. Es grenzt oft an Grössenwahn, wenn Partner meinen, einander in allen Bereichen genügen zu wollen und zu müssen. Kein Mensch kann einem anderen Menschen alle Bedürfnisse und Sehnsüchte stillen. In keiner Partnerschaft ist ALLES zu haben! Zudem ist es fragwürdig, ob wir selbst bereit wären, das zu bieten, was wir vom anderen erwarten.

Eigenes Wahrnehmen und exaktes Hinsehen

«Liebe ist die höchste Form der Aufmerksamkeit.» (Lawrence Durell)

Es ist weniger das Desinteresse des Partners, sondern vielmehr das Problem jedes Einzelnen, dass in vielen Partnerschaften einander immer noch zu wenig in die Seelen geguckt wird. Der Schlüssel zu vielen Problemen versteckt sich nämlich meist im Innenleben. Damit Partner einander mitteilen können, was sie denken und fühlen, was ihre Seele beglückt und bedrückt, muss der Einzelne dies alles erst selbst wahrnehmen können. „Wenn sie noch nicht einmal wissen, wer Sie wirklich sind, wie soll es Ihnen dann gelingen, sich mit einem anderen Menschen zu verbinden?“

Es lohnt sich daher, ab und zu den Dialog nach innen zu führen, hinzuhören, was sie Seele uns zu sagen hat. Sie ist auch das Gedächtnis unserer Geschichte und könnte uns melden, wenn wir dabei sind, Fehler zu wiederholen. Wird sie aber dauernd übergangen und bemogelt, stumpft sie ab, verstummt oder wird krank. Dann ist es für denjenigen, dem die Seele gehört, sehr ungemütlich – und auch für dessen Lebenspartner. Für den Weg nach innen braucht es aber Stille.

Oft bekämpfen wir im Partner die eigene Geschichte. Daher lohnt es sich, sie zu kennen. Am Anfang einer Partnerschaft ist man noch eher am Partner interessiert und lässt die Seele dem andern erzählen. Liebende Menschen sind neugierig, wie es im Partner wirklich aussieht und es ist eine Befriedigung des Vertrauens, wenn einander tatsächlich aus der Tiefe der Seele erzählt wird.

Wertvolle Antworten aus der Tiefe könnten vielleicht auf folgende Fragen gegeben werden:

  • Wer bin ich eigentlich?
  • Wer bin ich sicher nicht?
  • Wer möchte ich eigentlich sein?
  • Wer möchte ich für dich sein?
  • Was brauche ich um länger glücklich zu sein?
  • Was würde deine Seele von mir wünschen?

4. «Ich versteh dich nicht!»

Wenn im Ehealltag mit einer anderen Logik und mit gegensätzlichen Grundmustern an die kleinen Dinge herangegangen wird, kommt es zwangsläufig zu Differenzen. Wenn ein Partner zudem einen grossen „Heimvorteil“ hat (z.B. bei Beziehungen zu Asylbewerbern und Partnern aus der Dritten Welt etc.) ist die Gefahr gross, dass neben den kulturellen Unterschieden zusätzlich unglückliche finanzielle und persönliche Abhängigkeiten entstehen. Es braucht viel Toleranz und Grosszügigkeit vom Einzelnen, wenn über Jahre hinweg neben der normalen Komplexität einer Beziehung noch das Fremdartige integriert werden muss.

Offenheit und Transparenz

Oft wissen langverheiratete Partner weniger voneinander als in der Zeit ihrer Verliebtheit. Weil sie meinen, schon alles zu wissen, fragen sie nicht mehr. Es ist sicher gut, wenn jeder einen Intimbereich behält, aber bei Themen, die in der Beziehung überlappen, sollte transparent in die Denkmuster geschaut werden können. Das betrifft sicher die Sexualität, die gemeinsamen Räume, die gemeinsame Zeit und die Kinder. Aber auch jene Themen, an denen sich Partnerschaftsstreitereien entzünden, die immer wieder zu Missverständnissen, Enttäuschungen und Ohnmachtsgefühlen führen. Vor allem, wenn Gefühle wie Wertschätzung, Selbstwert, Achtung etc. verletzt werden, ist es besonders wichtig, dass diese Momente sorgfältig offen gelegt werden und versucht wird, gegenseitig zu verstehen, was jeweils vor sich geht. Es tut jeder verletzten Seele unheimlich gut, wenn sie erleben darf, dass der Partner zuhört und bemüht ist, zu verstehen. Es ist entscheidend, dass echt hingehört wird, wenn ein Partner sein Inneres offenlegt und transparent macht. Ansonsten entsteht gleich eine neue Kränkung, die ein späteres Wiederöffnen der Seele fast nicht mehr möglich macht.

Oft geraten Paare miteinander in die Falle von Gewohnheiten und spielen über lange Zeit selbst inszenierte Rollen. Manchmal teilen Paare einander auch die Rollen zu, die sie anfangs gerne spielen; etwas die Rolle des „An-alles-Denkenden“, die Rolle des „hilflosen Jungen, der bemuttert werden will“, die Rolle des „Immer-auf–alles-eine-Antwort-Findenden“, oder die Rolle „Ich- weiss-was-dir-gut-tut“. Die Rollen kleben dann oft so an uns, dass wir uns nicht weiterentwickeln. Manchmal bleiben auch Rollen in uns brach. Da hilft ab und zu der Blick von aussen, um all diese Dinge besser erkennen zu können. Daher ist es ratsam, wenn Paare miteinander gegenüber Freunden oder Fachleuten etwas offener und transparenter werden. Offene Partnerschaften leben länger!

5. «Wir haben zu wenig miteinander geredet!»

Ängste, Wünsche, Hoffnungen und Bedürfnisse müssen in Gesprächen geteilt werden. Paare, die lange Zeit nicht mehr miteinander im Gespräch sind, trocknen aus. Wenn zwei Partner nur schweigen, verstummt auch die Beziehung, und verstummte Beziehungen sind krank! Tragisch ist auch, wenn ein Partner immer wieder das Gespräch verweigert oder sogar sein Schweigen als Druckmittel gebraucht. In Partnerschaften, in denen viele Themen nicht mehr angesprochen werden, wird die Kraft des Paares stark reduziert. Es ist auch für Kinder schlimm, wenn ihre Eltern verstummen.

Neugier auf die Denkmuster und die seelische Befindlichkeit meines Partners

Gegenseitige Neugier und Anteilnahme hält eine Beziehung gesund. Jedes gute Gespräch lebt von guten Fragen. Nur schon die simple Frage: „Wie geht es dir eigentlich wirklich?“ kann sehr wohltuend für ein Paar sein. Es geht dabei aber nicht um ein absolutes „Outen“. Weil solche Fragen im Privaten immer weniger gestellt werden, suchen viele professionelle Zuhörer. Oft fragen wir nicht mehr nach, weil uns eine Flut von banalen News schon abgestumpft hat. Vielleicht wissen wir etwas über das Innenleben einer Person aus dem TV, unseren Partner kennen wir aber nicht. Es genügt eben nicht, wenn Paare vier bis sieben Minuten täglich Konversation betreiben. Verstehen wollen und sich verstanden fühlen braucht seine Zeit. Der Schlüssel zu allen Veränderungen ist das Einfühlungsvermögen in den andern.

6.«Muss ich denn für deinen alten Mist herhalten?
»

Wenn zwei junge Menschen einander begegnen und eine neue Beziehung aufbauen wollen, ist leider nicht alles neu. Viele alte Verletzungen, Beziehungserfahrungen, winzige Saumödeli und sonstige ärgerliche Ticks sind schon voll da und prägen wacker mit. Und je nach den gemachten Erfahrungen ist man gutgläubig und vertrauensvoll oder eben misstrauisch und verletzt. Daher ernten die Partner immer auch die Geschichte des andern – entweder die guten Früchte oder eben nicht. Die erste Begegnung mit dem anderen Geschlecht machen Menschen mit dem Vater oder der Mutter. Die prägen daher enorm.

Einander so wahrnehmen, wie man gegenwärtig ist

«Gegen Liebe auf den ersten Blick hilft nur ein zweiter Blick.»

Die folgenden Fragen sollen mit Punkten zwischen 1 (wenig) und 10 (sehr) bewertet werden.

Was liebe ich an meinem Partner / an meiner Partnerin?
Sein(e) / ihr(e)… 1. Körper / 2. Gesicht / 3. Stimme / 4. Duft / 5. Zärtlichkeit / 6. Sexualität / 7. Phantasie /8. Wärme / 9. Nähe / 10. Genussfähigkeit /11. Sinnlichkeit / 12. Kommunikationsfähigkeit / 13. Nachfragen / 14. Gedanken-Ausdrücken / 15. Gefühle-Äussern / 16. Humor / 17. Feedback-Geben / 18. Einfühlungsvermögen / 19. Toleranz / 20. Geduld / 20. Beruf / 21. Intelligenz / 22. Aufmerksamkeit / 23. Hobbys / 24. Weltanschauung / 25. Gedächtnisfähigkeit / 26. Fürsorge / 27. Wertschätzung / 28. Wahrnehmung / 29. Initiative / 30. Kreativität / 31. Zuverlässigkeit / 32. Neugier / 33. Pünktlichkeit / 34. Partnerschaftssinn / 35. Vater-Sein; Mutter-Sein / 36. Familiensinn / 37. Spielfreudigkeit.

Vielleicht sind sie erstaunt über die hohen Auszeichnungen und die Wertschätzung, die sie vom Partner bekommen. Es tut gut, einander immer wieder einmal ein gutes Feedback zu geben. Positives muss auch angesprochen und ausgesprochen werden. Bei niedrigen Zahlen sind vielleicht noch kleine Wünsche und Anregungen versteckt.

7. «Bin ich da, um dir zu dienen?
»

Faire Partnerschaft beginnen schon in der Kindheit. Dort muss beigebracht werden, dass das Nehmen und Geben nur im Wechselspiel funktionieren kann. Leider neigen wir in unseren Kleinfamilien dazu, die Kinder zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen. Es liegt auf der Hand, dass diese Kinder später in einer Partnerschaft Mühe mit dem Gleichgewicht des Gebens und Nehmens haben werden. Diese Menschen können sich nicht mehr erfreuen an allem, was da ist, sondern leiden unter allem, was fehlt.

Wie gut geht es unserer Beziehung?

Meistens sind es die Frauen, denen es nicht mehr so wohl ist im gemeinsamen Boot der Liebe. Die Männer gucken länger weg oder sind so intensiv extern beschäftigt, dass sie sich deswegen zu wenig um ihre Beziehung kümmern wollen/können. Frauen, wenn sie Mütter werden, sind mehr zu Hause und erleben weniger Spannendes. So sind sie besonders auf das Klima zu Hause angewiesen. Sie leben mehr in dieser kleine Welt der Partnerschaft. Es ist aber nicht gut, wenn nicht beide an der Beziehung mitarbeiten. Aber wie bringt man die Männer zum reden? Indem die Liebe warm gehalten wird. Dabei ist wichtig, auf den richtigen Moment und den richtigen Ton zu achten. Weil Kritik oft das Gegenteil erreicht, kann es sehr hilfreich sein, dann und wann, fast ritualisiert, die Fragen des „Frühwarntests“ (S.12) als vorbeugende Massnahme miteinander durchzugehen und die Resultate zu besprechen.

8. «Aber der kleine Prinz braucht mich doch jetzt!
»

Die Vernarrtheit in die eigenen Kinder ist heute bei vielen Paaren Ehe-gefährdend. Man meint, es sei nötig, sich fast bis zum Umfallen und bis zur Selbstauflösung für das Wohl der Kinder zu sorgen. Es geht aber den Kindern nur gut, wenn es auch den Eltern gut geht.

Partnerschaftsbande

Eine Beziehung zwischen zwei Menschen kann mit verschiedenen Bändern, die zwischen ihnen geknöpft wurden, dargestellt werden. Weil sie nicht sichtbar sind, merken wir nicht, ob sie starr geworden sind, oder dünn oder angerissen. Wenn sich Paare zu sehr strapazieren, dann reissen diese Bande und müssen vom Paar neu geknüpft werden. Das ist aber nur möglich, wenn nicht alle gerissen sind. Die Bande werden auch nicht von beiden Partnern gleich wahrgenommen.

  • Bande der Sympathie: Sie entstehen bei der ersten Begegnung und kann wie ein Magnet wirken. Ohne Zwang suchen einnehmende Kräfte die Nähe des andern. Wenn Sympathien verspielt werden, können diese Bande zu abstossenden Kräften umkippen.
  • Bande des Vertrauens: Sie wachsen langsam. Dieses Band hat ein gutes Gedächtnis und ist auf viele früheren Erfahrungen aufgebaut, welche tief im Urvertrauen wurzeln. So wirken alte Vertrauensbrüche (Scheidung, als Kind weitergereicht worden zu sein etc.) noch lange nach und belasten auch neue Beziehungen.
  • Liebesbande: Sie sind Geschenk der Gnade
  • Bande des Gebens und Nehmens: Sie wachsen durch Ausgewogenheit und Fairness, sowie durch den lebhaften Zwischenhandel. Wenn aber zwischen Paaren gegeizt wird, oder wenn gar Mogelpackungen verschoben werden, verkommen diese Bande.
  • Bande der Gewohnheit. Jahre binden, auch wenn man nicht will. Dieses Gewöhnen kann aber auch Spontaneität und Lebendigkeit erdrücken und einen bequem und unaufmerksam werden lassen.
  • Bande der Sicherheit und Treue: Jede Seele braucht Sicherheit. Die Sicherheit, die sich zwei Menschen geben können, lässt sich nicht so leicht ersetzen. Gerade in unserer schnelllebigen Welt ist es wichtig irgendwo beheimatet zu sein. Je rauer der Wind draussen bläst, desto mehr brauchen wir diese Sicherheit. Sicherheit ist auf Treue und vielen Erfahrungen aufgebaut.
  • Bande des Schutzes: Schutz von aussen, aber auch Schutz vor sich selbst, vor eigener Unzulänglichkeit, vor Sucht, inneren Ängsten und Selbstzweifel.

Wer schon am Seil in den Bergen geklettert ist, weiss, dass Partner sich nicht zu eng aneinander knüpfen sollten, sonst kann der Einzelne sich nicht optimal bewegen, um seine eigenen Wege zu finden. Wenn das Seil grosszügig und lose zwischen den beiden gebunden ist, dann ist das gemeinsame Geben leichter und der Bewegungsspielraum grösser und angenehmer. Man zupft und nervt sich weniger. Zu eng geknüpfte Bande ersticken die Liebe. Wenn wir noch an andere Menschen geknüpft sind, ist es verständlich, dass neue Bande nur schwerlich zu knüpfen sind.

9. «Hilfe, du erstickst mich!»

Oft werden die zu engen Beziehungsmuster aus der Zeit der Verliebtheit beibehalten und Paare werden gegenseitig zu Gefangenen. Zusammen kann man in dieser Pseudoharmonie furchtbar einsam werden. Wer loslässt, hat die Hände frei.

Veränderungen müssen sich lohnen

Menschen verändern sich ganz selten. Der Gewinn bei einer Veränderung muss so gross sein, dass wir dadurch die Angst überwinden und ein Risiko auf uns nehmen. In der Zeit der Verliebtheit ist es erstaunlich, wie Menschen sich ändern können. Später wird es immer schwieriger. Dennoch können sich Paare beeinflussen und zu Veränderungen verführen. Dazu sind aber ein Paar Spielregeln nötig. Grundsätzlich braucht es Akzeptanz und ein Klima des gegenseitigen Vertrauens:

  • Ich mag dich so wie du bist, aber freuen würde es mich schon, wenn du – mir zuliebe – dich in dieser Sache etwas ändern würdest!
  • Wenn ich mich in meiner Angelegenheit ändere, würdest du dich dann in deiner Angelegenheit ändern?
  • Was würdest du dir wünschen, um in dieser Angelegenheit eine Änderung zu wagen?

Die grösste Chance auf echte Veränderung besteht, wenn man sich miteinander verändert, wenn beide gleichzeitig das Neue anstreben. Aus systemischer Sicht kann man sich aber auch bei hartnäckigen Streits fragen, wer beim Streit am meisten profitiert. Welches sind die jeweiligen Gewinnanteile? Denn derjenige, der mehr profitiert, wird logischerweise gar nicht so interessiert sein an einem beenden der Streitkultur und an einer wirklichen Veränderung.

Oft hilft bei hartnäckigen Streits, dass man folgendes Experiment macht:

  • Ab sofort wird keine negative Kritik mehr ausgesprochen. Beide kennen doch die gegenseitigen Vorwürfe bis zur Genüge.
  • Vielmehr sollen sie ab sofort versuchen, einander nur noch positive Feedbacks zu geben.
  • Man macht ab, wie viele Rückfälle pro Tag noch zugestanden werden und ab wann der Rückfall jeweils etwas kostet (z.B. ab dem 3. Rückfall muss man dem anderen einen Wunsch erfüllen).

Viele Paare konnten so eine Verbesserung einleiten, denn darauf lässt sich wieder eine liebevollere Kultur aufbauen.

10. «Nein, ich habe keine Zeit, Schatz!»

Eigentlich wissen wir, dass unsere Beziehungen viel Zeit brauchen. Einerseits geraten aber viele Paare durch die Wirtschaft unter Druck, andererseits machen sich viele Paare den Zeitstress auch selber. Sie haben bis über beide Ohren vollgestopfte Freizeitprogramme und sind dauernd auf Achse. Sie konsumieren derart viel, dass sie für die eher stille Liebe oft ein zu hohes Tempo drauf haben.

Die Unterschiede von Mann und Frau respektieren

Immer wieder hat in der Geschichte von Mann und Frau ein Geschlecht versucht, das andere umzukrempeln. Den letzten derartigen Versuch haben die Frauen in den letzten Jahrzehnten mit uns Männern gemacht. Maya Storch in „Die Sehnsucht der starken Frau“: „Wir haben aus dem wilden Wolf einen Schosshund gemacht, und der Schosshund war uns lästig. Dann haben wir ihn rausgeschmissen.“ Durch den ständigen Versuch des Zusammenlebens haben wir aber die Chance zu wachsen. Wir sind dauernd gefordert und können dadurch tolerant und weise werden. Das Zusammenleben lohnt sich aber auch für die Kinder. Für ein optimales Aufwachsen von Kindern sind sowohl männliche wie auch weibliche Wesen nötig.

Hier einige Unterschiede zwischen Frau und Mann (nicht absolut, sondern mit Humor zu betrachten):

  • Männer verschlafen die ersten Anzeichen.
  • Sie schweigen wie die Lämmer (wenn es um die Liebe geht).
  • Sie reden ungern über Gefühlssachen und bleiben lieber auf der «Sachebene».
  • Sie pflegen Beziehungen nur halbherzig.
  • Sie wollen zu oft, dass Frauen denken wie Männer.
  • Männer haben eine tiefere Putzlimite.
  • Frauen können nicht vergessen. Es fällt ihnen schwer einen Strich zu ziehen und neu anzufangen.
  • Sie stellen oft erschreckend viel Fragen.
  • Sie wollen oft ihre Männer zu ihren Söhnen erziehen.
  • Sie fordern zu viele Liebesbeweise.
  • Sie machen Vorwürfe und schreiben vieles vor.
  • Sie wollen zu oft, dass sich Männer wie Frauen verhalten.
  • Frauen erwarten zu viel von der Partnerschaft.
  • Frauen haben einen hohen Putzstandard

Mordillo: «Nachdem Gott die Welt erschaffen hatte, schuf er Mann und Frau. Um das Ganze vor dem Untergang zu bewahren, erfand er den Humor.»

11. Die sieben wichtigsten Kulturen für gesunde Partnerschaft

1. Liebevolle Wertschätzung und Akzeptanz

Wenn die Wertschätzung und der Respekt verkümmern, wenn Partner einander lieblos entwerten und die alltägliche Leistung und Aufmerksamkeit des Partners nicht mehr schätzen, dann:

  • wird lieblos vor Dritten über die Defizite, Probleme und Mittelmässigkeit des Partners gesprochen.
  • zerfällt die Gesprächskultur. Man hört sich nicht mehr sorgfältig zu.
  • geht jeder Gast und jedes Telephon vor.
  • macht man sich nur noch für externe Auftritte schön. Im Hause wird nicht nur abgeschminkt, sondern auch verschlampt.

Es lohnt sich, sich auch für den Partner schön zu machen und einmal das Nachtessen mit Kerzen zu geniessen. Es ist wertvoll, wenn Paare in guten Zeiten und eben rechtzeitig einander liebevoll offenbaren, in welchen Dingen sie besonders viel Wertschätzung und Respekt brauchen. Z.B.:
Mir ist wichtig, dass du meine berufliche Leistung anerkennst.

  • Ich wünsche, dass du mein Engagement im Hause schätzt.
  • Ich wünsche, dass du auf meine sinnliche Aufmerksamkeit eingehst.
  • Ich wünsche mir von dir mehr Wertschätzung für meine Angehörigen.
  • usw.

Kenne ich die heiklen Wertschätzungsbereiche meiner Partnerin /meines Partners?

Es ist auch wertvoll, «kleinere Dinge» einmal auszusprechen, denn das positive Feedback sollte die Kritik um das Fünffache überwiegen: Ich schätze deine Kochkunst, deine Erotik, deine Aufmerksamkeit…

2. Offene gemeinsame Gespräche

Das Gespräch ist wie das Blut in der Beziehung. Es versorgt die Seele der Beziehung zwischen zwei Menschen mit Nahrung. Wenn sie ein Paar sind mit unterschiedlichen Meinungen, dann sollten Sie beruhigt sein. Sie sind ein gesundes Paar, denn sie haben viel zu diskutieren. Paare, die immer das Gleiche denken können nur schlecht einen Dialog führen.

Anregungen für temperamentvolle Paare:

  • Zeitpunkt für Gespräche richtig wählen damit beide Partner in einer friedlichen und freundlichen Verfassung sind.
  • Ort wählen, wo es beiden wohl ist.
  • Genügend Zeit reservieren und genügend Pausen machen
  • Provokationen, Reizworte und Abwertungen vermeiden.
  • Mehr von sich reden als: Du bist…
  • Wiederkehrende Vorwürfe weglassen.
  • Weglaufen auf Zeit (mit der Zeitangabe der Rückkehr) und Notbremsen sind erlaubt.
  • Abwechslungsweise das Gespräch leiten und vorbereiten.
  • Einander positives Feedback geben.
  • Mit nonverbalen Mitteln kommunizieren: Bilder zeichnen, Musik spielen, Briefe schreiben
  • etc.

Anregungen für eher stumme Paare:

  • Bei stummen Paaren steckt der Schlüssel oft von innen. Es ist eine Kunst, einander so wohlwollend abzuholen, dass auch Stumme sich von innen öffnen.
  • Durch die verschlossene Türe ein paar positive Dinge zuflüstern.
  • Nicht von Aussen zu sehr an sie heranschwatzen, sondern sie von innen her motivieren (Mut machen).
  • Hilfe ist das Zwiegespräch: Ein Partner öffnet sein Denken, der andere hört nur zu. Ohne Kommentar. Es ist quasi ein lautes unzensuriertes Selbstgespräch. Und dann wechseln die Rollen.
  • Sich gut überlegen, wo und wann sie am besten reden können.
  • Viele Rückfragen stellen und positive Feedback geben.
  • Gesprochenes wiederholen, visualisieren.
  • Mit Hilfsmitteln das Gespräch anregen: Musik, Bilder, Briefe.

Schnee von Gestern unterkühlt lebendige Paare: Also nicht zu lange im alten Zeug wühlen. Oft verpassen Paare die Gegenwart und die Zukunft, weil sie zu sehr mit der Vergangenheit beschäftigt sind. Statt die Kräfte in Vorwürfe und Kritik an Vergangenem zu stecken, sollte man viel mehr in die Zukunft investieren.
Ein Zaubermittel für aufbauende Gespräche ist das lösungsorientierte Denken, das Suchen nach neuen Wegen.

Es ist auch wichtig vor einem Gespräch zu deklarieren, was der Inhalt sein soll und wie viel Zeit dafür gewünscht wird. Natürlich braucht es auch das einfache Plaudern.

  • Wann, wo, wie (Gesprächsregeln), wer (leitet, trifft Vorbereitungen, sammelt Themen, achtet auf die Regeln), was verhindert bei uns das gute Gespräch (Reizwörter, alte Vorwürfe); was fördert das gute Gespräch (Feedback, einander ausreden lassen)?
  • Informationsgespräch: Meine Infos, deine Infos und nun…
  • Organisationsgespräch: Wer macht was?
  • Paar-Thema-Gespräch: Dein Thema, mein Thema, Meine/deine Ansichten; mögliche Vereinbarungen
  • Klagemauergespräch: Hör mir bitte nur zu – möglichst ohne Kommentar.
  • Klärungsgespräch: Was ist passiert? Was ist schief gelaufen bei uns? Hilf mir bitte analysieren.
  • Um-deine-Meinung-bittendes Gespräch: Deine Meinung interessiert mich, ich brauche deinen Rat.

«Dass wir miteinander reden können, macht uns zu Menschen.» (Karl Jaspers)

Und das «Wie» entscheidet über glückliche und unglückliche Menschen.

3. Faire Lastenverteilung

Die Eheökologie von Nehmen und Geben muss auch im Bereich der Lastenverteilung immer wieder ausgeglichen werden. Oft sind heute auf den Weg einer konsequenten Lastenteilung Karrieren schwierig zu verfolgen, und ausserdem müssen noch Lohneinbussen in Kauf genommen werden. Wenn aber durch dieses Modell gesündere Paare und weniger Scheidungen geschaffen werden, so lohnen sich diese paar Lohnfranken alleweil.

Tipps:

  • Lasten und Leistungen grundsätzlich gegenseitig anerkennen.
  • Einander für die treue Ausübung von Aufgaben Wertschätzung entgegenbringen.
  • Sporadisch nach der Erträglichkeit der Lasten fragen. Dadurch lassen sich Überforderungen eher vermeiden.
  • Die eigenen Lasten und die des Partners kennen und erkennen, welche besonders schwer drücken. Meist kann der andere besser erkennen, was endlich über Bord geworfen werden könnte.
  • Für den anderen einspringen und ihm rechtzeitig eine Last abnehmen. In Krisen ist es lebenswichtig, dass der Partner vorübergehend Unterstützung anbietet und Last übernimmt. Die Erfahrung, sich auf den anderen verlassen zu können gibt Sicherheit und Vertrauen. Ein Paar, das sich ab und zu schnell den Ball zuwirft, spielt ein starkes Spiel. In der Beweglichkeit liegen viele Ressourcen. Jeder hat einen Ersatzspieler und kann für kurze Zeit ruhen.
  • Ab und zu innehalten und die Lasten überprüfen. Beide zählen und schreiben auf, was sie alles zu tragen haben.
  • Zusammen immer wieder mal entscheiden, welche alten Lasten und Verpflichtungen entsorgt werden können.

Lange Zeit haben Männer und vor allem die Frauen vor lauter Aufopferung ihre eigenen Bedürfnisse vergessen. In der Zwischenzeit hat sich das aber radikal geändert und raubtierhafte Züge angenommen. Ein liebloser Egoismus hat sich breit gemacht. Alle paar Minuten stellt man sich dann die Frage: Stimmt es für mich? Und bei der Beantwortung dieser magischen Frage und den Konsequenzen, die sich daraus ergeben, geht man oft über Leichen. Die Erfüllung jedes Begehrens wird so zentral, dass man sich immer mehr von einem sozial denkenden Wesen entfernt. Mütter und Väter verlassen ihre Kinder und Partner, weil sie sich selbst finden wollen. Sie schleichen weg, weil sie ihr eigenes Ich suchen wollen. Und alles muss immer „subito“ stimmen, so dass es nicht mehr für die Beachtung der gemeinsamen Bedürfnisse reicht. „Es stimmt nicht für mich!“ und schon werden Verantwortung und Mittragen beiseite gelegt. Diese Selbstfindungssüchtigen sind für Partnerschaftsarbeit nur schlecht geeignet. Ihr egoistisches Verhalten lässt sie oft in die vereinsamende Falle laufen.

4. Lebendige Sexualität

Gute, eigenständige Sexualität in der Partnerschaft ist in unserer Zeit kein leichtes Spiel. Fliesst die Sexualität zwischen Mann und Frau leicht hin und her, kann es die schönste Kommunikation der Welt sein. Wenn sie aber stockt, verkommt es bald zu einem mühsamen Geknorze. Und wenn sie missverstanden wird oder gar unterbleibt, kann sie leicht zum gefährlichen und alles zerstörenden Trennungskeil in vielen Partnerschaften werden.

Mehrheitlich liegen die Bedürfnisse der Frauen und Männer in der Sexualität immer noch beunruhigend weit auseinander. Die Frage, wie viel Sex in einer Ehe gelebt werden soll, wird grundverschieden beantwortet. Wenn es um Quantität geht, scheint es, als hätten die Männer ein paar Löffel mehr von der Lust auf Sex eingeschlürft – das zeigen auch neueste Umfragen. Wenn
Frauen gefragt werden, sagen viele, dass ihnen Sex einmal pro Woche oder einmal pro Monat genügen würde. Wenn sich die Frauen daher wenig wehren, werden sie übermannt, aber wenn sie den Bogen überspannen, hüpfen die untreuen Männer einfach ins nächste Puff. Die Konkurrenz ist gross (ca. 4 Mia. Umsatz im CH-Milieu). Für die Frauen ist es auch nicht angenehm, wenn sie immer wieder zu sehr bedrängt werden und dem schmollenden Mann ausgesetzt sind.

Es ist aber auch nicht einfach, Mann zu sein! Was tun, wenn sich die Natur regt? Wieviele Männer haben sich doch in der Ehe bis zur Erschöpfung angestrengt, um endlich in den Garten der Lüste eintreten zu dürfen. Aber dann gibt es Verzögerungen: Sie ist am Telephon, im Badezimmer, nicht in Stimmung – bis er halt eingeschlafen ist. Vielleicht morgen, Schatz? So verbringen viele Ehemänner beängstigend viel Zeit „draussen vor der Tür“. Es gilt daher zwischen den beiden gegensätzlichen Bedürfnissen ein individuelles, faire Mittelmass zu finden.

Leider wird noch zu oft die männliche Subito- und Quicky-Sexualität gelebt und weniger die lustvollere Sinnlichkeit aus «Tausend und einer Nacht» der Frauen.

Warum nicht abwechselnd einander besuchen? Einmal ist sie Gastgeberin und er der neugierige Gast, dann wiederum ist er der Gastgeber und sie der zu verwöhnende Gast. Wie reich beschenkt würden wir Männer doch, wenn wir vermehrt in die Lustgärten der Frauen eintreten und ihre phantasievollere Lust geniessen könnten! Für viele wäre es eine wunderbare Bereicherung. Ist es nicht schön, verführt zu werden und verführend zu sein? Dieses gegenseitige Besuchen und das Ausleben von weiblichen und männlichen sexuellen Bildern, Sehnsüchten und Träumen erweitert die partnerschaftliche Sexualität ungemein und kann die Erotik über Jahre beleben. Sexualität darf einmal weich und dann wieder aggressiv sein.

Die Sexualität kann mit einem Essen verglichen werden. Eigene Menüs zu kreieren, mit feinen Zutaten und mehreren Gängen, brächte Abwechslung ins müde Sexleben. Oft resignieren Paare, einfach, weil sie zu wenig mit Fantasie «kochen».

Ein weiterer Zauber für die Sexualität ist das Gespräch: Paare können einander nicht alle Wünsche und kleinen Dinge von den Augen ablesen. Warum nicht immer wieder sagen, was der Körper gerne hat und was weniger? Oder was gerade jetzt Lust macht und was eher nicht? Zudem kann ein gutes Gespräch sehr einstimmend und anregend wirken. Auch ist unser Lustempfinden ständig im Wandel. Das müssen wir einander auch mitteilen – ohne Worte geht das kaum.

Beim Verstummen über dieses Thema schleichen sich Missverständnisse ein. Für sinnlich Lebendige gilt: Die Sprache nicht vergessen – Sexualität braucht Worte! Sonst schleicht sich die Lust davon.

5. Individuelle Nähe und Distanz

«Am liebsten würde ich in dich hineinkriechen! Ach, ich könnte ewig nur mit dir zusammensein. Eigentlich sollte es immer so bleiben!»

Nun braucht aber jede gesunde Seele zwischendurch auch Luft zum Atmen. Die erste Seele, die nach frischer Luft lechzt, stört die andere symbiontische Seele in ihrem Glückszustand. Daher ist es sehr heikel, sich aus der Umklammerung der Verschmelzung zu lösen. «Was, du hast schon genug von mir?»

Leider sterben Partnerschaften häufiger an zu viel Enge als an zu viel Offenheit. Darum wäre es sinnvoll immer wieder darauf zu achten, ob noch genügend Luft für beide Partner da ist. Oft wird eine gesunde Reaktion schon als Zerstörung gewertet, die beim einen Verlassenheitsängste und beim anderen Schuldgefühle weckt.

Hilfreiche Frage:

  • Ist es beiden noch wohl in unserer kleinen Welt?
  • Wie könnten wir, ohne uns zu verletzen, unser enges System wieder weiten?
  • Warum habe ich/du einen solch übersteigerten Hunger nach Verschmelzung?
  • Wie kann ich mir treu sein, ohne dir untreu zu werden oder dich zu verletzen?

Auch die tollste Ergänzung überfordert, wenn zwei Partner meinen, einander alle Bedürfnisse stillen zu können oder zu müssen.

Streit ist oft der Versuch, sich etwas Distanz zu verschaffen. Vielleicht will der Partner zu viel Nähe, zu viel Sex, zu viele Gespräche …

Streit kann aber auch den leise abschleichenden Partner auf sein Tun aufmerksam machen. Lieber einen Streit, als vor lauter Distanz nichts mehr fühlen. Gerade hier löst aber ein solcher Zweckkonflikte gerade das Gegenteil aus. Mit Streit kann man den Partner auf Distanz halten aber nie herholen. Dennoch wird es ständig versucht.

In einer Partnerschaft wohnen zwei verschiedene Personen, die nicht immer synchron die gleiche Nähe und Distanz wünschen, deshalb ist dieses Thema ein Dauerbrenner. Oft wird aber nicht im Klartext gesprochen, sondern in indirektem Verhalten. So kann z.B. eine Frau einen kleinen Streit vom Zaune brechen, weil sie eigentlich nicht bereit für sexuelle Nähe ist. Wir sollten aber immer wieder versuchen, einander um die lebensnotwendige Distanz und Nähe zu bitten: „Bitte lass mich doch etwas alleine!“ „Komm doch bitte näher, ich brauche deine Nähe.“ Einfache Sätze, die wir oft nicht aussprechen, weil wir Angst vor einer Ablehnung haben. Wenn wir offen über unsere Empfindungen reden möchten, müssen wir sie dem Partner auch erklären. Das setzt aber voraus, dass ich mir über mich selbst auch im Klaren bin. Das müssen wir wieder üben.

6. Kluges Verhandeln auf Zeit

Glückliche Ehen gründen auf guten Kompromissen. Das heisst, zwei Partner suchen eine Lösung, in der die Anliegen beider grösstenteils enthalten sind. Da sich Interessen und Bedürfnisse immer wieder verändern, können Paare beziehungsmässig nur gesund bleiben, wenn sie diese Kompromisse immer wieder neu suchen. Neue Vereinbarungen sollten immer nur auf Zeit getroffen werden. Zu viele Paare sind in ihrer Unbeweglichkeit geradezu erstarrt.

Faires Verhandeln gelingt auch nur, wenn beide ihre wirklichen Bedürfnisse offen auf den Tisch legen. Wenn die Wünsche beider Partner nicht gleichzeitig erfüllt werden können, dann soll zuerst in die Bedürfnisse des einen investiert werden und dann in die des anderen. Bei einer heutigen Ehedauer sollte genug Zeit vorhanden sein.

Verhandlungsregeln:

  • Frühzeitiges Verhandeln gibt gute Erfolgschancen.
  • Rechter Ort, richtiger Zeitpunkt – frühzeitig miteinander abmachen.
  • Regelmässige Standortgespräche.
  • Zuhören und aussprechen lassen, nachfragen, Feedbacks geben.
  • Alle Wünsche auflisten (etwa gleich grosse Listen der einzelnen Partner), keine Tabus im Gespräch.
  • Nicht mit dem schwierigsten Thema beginnen; unfertige Gedanken zulassen
  • Einander das geben, was wirklich gewünscht wurde.
  • Verhandeln auf Zeit

Grundsätzlich kann über alles verhandelt werden: Freizeit / Lastenverteilung / Machtmuster / Sexualität / Besitz / Esskultur / Kleidung und Körperpflege / Nähe und Distanz / Wohn und Lebensräume / unsere Gesprächskultur / Kinder und Erziehung / Freunde und Verwandte / Religion und Weltanschauung …

In Krisenzeiten gibt es bei Paaren diese versteckten „Schuldkonten“: „Du bist schuld an unseren Problemen.“ Daher sollte ab und zu darüber gesprochen werden, wie die heimlichen Konten stehen und wie sie ausgeglichen werden könnten.

Bonus-System: Ein Paar handelt in einer schwierigen Sache ein Mass aus. Wenn er oder sie in guten Tagen mehr leistet als vereinbart, dann gibt es Bonus-Punkte für die schlechteren Tage. Dies kann Paaren helfen, flexibler zu werden. Beispiele von Vereinbarungen:

  • Um unser gegenseitiges Verstummen zu vermeiden, sollen beide je mindestens fünf Fragen für den anderen bereithalten.
  • Entwertendes Reden werden wir gegenseitig unterlassen. Bei Rückfall hat das Opfer einen freien Abend zugut.
  • Regelmässige, tägliche Gespräche sind uns zu viel. Wir einigen uns auf ein längeres Gespräch pro Woche.
  • Bei Konflikten wird sofort gestoppt, wenn ein Partner dazu auffordert. Dann werden wir gegenseitig die bereits gemachten Verletzungen anerkennen und anschliessend entschuldigen wir uns gegenseitig mit einer versöhnlichen Geste.
  • Beide bemühen sich, 14 Tage lang nur noch positives Feedback zu geben. Einmal pro Tag darf noch etwas Negatives gesagt werden. Bei der zweiten Kritik hat das Opfer Folgendes zugute …
  • Damit wir nicht immer über alles diskutieren müssen, bestimmen wir Ministerien auf Zeit.
  • Vor den Kindern werden keine Paarprobleme mehr besprochen.
  • Wir vermeiden Allianzen mit unseren Kindern gegenüber dem anderen.
  • Die „Nach-Erziehung“ des Partners unterlassen wir.
  • Zukünftig besuchen wir uns gegenseitig im sexuellen Lustgarten des anderen.
  • Ich werde in der kommenden Woche sexuell nichts fordern. Du kommst auf mich zu, wenn du Lust hast.
  • Ab sofort reden wir einmal pro Woche über unser Sexualleben.

Kein Partner soll zu viel geben müssen. Es ist aber auch ungeschickt, wenn ein Partner den anderen mit Geben überhäuft, welches der Beschenkte nicht erwidern kann. Das erzeugt oft nur Wut, Schuldgefühle oder Stress.

Übrigens: Wer Probleme sucht, wird sie finden! Wer Lösungen sucht, wird Lösungen finden.

7. Gutes Streiten, Ent-Schulden und das notwendige Verzeihen

Durch die Heirat muss die Individualität nicht aufgegeben werden. Im Gegenteil: Lebendige Partnerschaften leben von der Vitalität des einzelnen Partners. Es ist lebenswichtig, dass jeder sich selbst bleiben darf und Neues ausgetauscht und erlebt wird.

Wenn zwei Liebende einander diese Eigenwilligkeit zusprechen und unterschiedliche Interessen zulassen, dann kann das natürlich zu Streit führen. Nun geht es aber nicht darum, Streit grundsätzlich als etwas Schlechtes darzustellen, son-dern den Streit als Bestandteil einer lebendigen und demokratischen Partnerschaft anzuerkennen. Streit selbst sollte nie verhindert werden. Nur das „Wie“ des Streites muss und darf immer kritisch angegangen werden.

Spielregeln:

  • Wir akzeptieren grundsätzlich, dass beide eigene Interessen und Meinungen zu einem Thema haben dürfen.
  • Wir werden zuerst einander die unterschiedlichen Varianten offen legen und grundsätzlich dieses unterschiedliche Denken und Fühlen anerkennen.
  • Dann versuchen wir verschiedene Lösungsansätze zu finden, und freuen uns, wenn möglichst viele Ideen auf dem Tisch liegen.
  • Wenn wir uns in einer Sache festbeissen, überlegen wir uns, ob sich der Streit lohnt.
  • Wir sind eher für Streitgespräche, als fürs Verstummen.

Nun gehen wir an die Themen heran:

  • Was wollen wir heute besprechen, was nicht?
  • Wie können wir sachlich beginnen, ohne gleich in üble Streitmuster zu verfallen?
  • Geben wir uns gleich viel Redezeit?
  • Wo liegt bei diesem Thema meine/deine Schmerzgrenze?
  • Verletzende Wiederholungen und Entwertungen, sowie Drohungen werden wir vermeiden. Sie provozieren nur. Verbale Verletzungen oder gar Gewalt lassen wir nicht zu. Bei zu heftigen Emotionen darf der Raum verlassen werden.
  • Jeder hat eine gelbe und eine rote Karte. Gelbe Karte hoch: der andere muss schweigen. Rote Karte hoch: der Partner geht für ein paar Minuten vom Verhandlungstisch. Absprechen, wie oft die Karten benutzt werden dürfen.
  • Wenn wir gut und fair verhandeln, belohnen wir uns mit einem feinen Essen oder einem Ausgang. Wie können wir uns sonst noch belohnen?

Was tun bei Konflikten?

  • Beide sind bereit, den Konflikt friedlich zu lösen
    • Spielregeln abmachen, Zeit / Setting /Ort
  • Was sind die Themen (Probleme)?
    • Partner A z.B.:
      • Problem A zu wenig Freizeit
      • Problem B Sexualität
      • Problem C Deine Verwandten
    • Partner B z.B.:
      • Problem A Lastenverteilung
      • Problem B Kindererziehung
      • Problem C Wertschätzung
  • Mit welchem Thema beginnen?
    • Mit dem leichtesten Problem
    • Sich auf ein Thema einigen
  • Jeder Partner schildert seine Version.
    • Wie ist das Problem entstanden?
    • Eigenes Empfinden darlegen
    • Der andere hört nur zu
    • Verständnisfragen sind zugelassen
  • Wie können wir eine Verbesserung erreichen?
    • Lösungsvarianten a,b,c …
    • Auch unfertige Ideen zulassen Aushandeln möglicher Varianten
  • Was spricht für welche Lösung?
    • Was spricht dagegen?
    • Gab es schon ähnliche Probleme?
    • Wenn wir diese Lösung wählen, bin ich bereit, das oder jenes zu tun …
    • Mit jener Lösung könnte ich auch noch leben.
  • Festhalten der Abmachung
    • Vielleicht genügt ein Handschlag. Oder doch eine schriftliche Abmachung?
    • Alles gilt nur für eine begrenzte Zeit.

«Du bist schuld!»

Wenn unsere Beziehungen aus dem Gleis geraten, neigen wir leicht dazu, unseren Partnern die Schuld zuzuschieben. Es gilt aber bei Konflikten immer auch zu schauen, in welchem Umfeld etwas geschehen ist. So gibt es immer auch ungünstige Hintergründe, die es einem noch so liebenswerten Paar nicht immer ganz einfach machen. Diese „Mittäterschaft“ gilt es zu erkennen, damit einander nicht die Schuld für alles in die Schuhe geschoben wird. Dank diesem Entlastungsdenken wird das Paar wieder freier und kann dadurch eher wieder gemeinsam versuchen, Dinge zu ändern.

 

Wer übernimmt wie viel „Schuld“?

  • Einander nicht für alles verantwortlich machen.
  • Es gibt unglückliche Hintergründe – welche?
  • Diese Hintergründe zur eigenen Entlastung erkennen – was entlastet und entschuldet uns?
  • Was ist mein/dein Anteil?

 

Einige dieser ungünstigen Hintergründe: Existentielle Sorgen, Stress, Angst, Druck, Krankheit, Armut …

Trotzdem: Auch wenn Paare lernen, fair und klug zu streiten, lassen sich unangenehme Verletzungen nicht immer vermeiden. Wo lebendige Menschen zusammenleben, werden Fehler gemacht. Aber Fehler sollten auch wieder einmal weggelegt werden. Ab und zu muss man einfach einen dicken Strich ziehen können, damit die Partnerschaft nicht in den Verletzungen erstickt.

In viele Paargesprächen hat sich gezeigt, dass meist die Frauen ein weit besseres Gedächtnis für die Fehler ihres Mannes haben, als umgekehrt.

 

Folgende Fragen könnten helfen diese tödlichen Altlasten abzuwerfen:

  • Was könnte ihr Partner /Partnerin tun, damit Sie einen dicken Strich unter das Geschehene machen könnten?
  • Was bräuchte Ihre Seele, damit sie endlich diese Verletzung verzeihen könnte? Könnte es ein Geschenk sein, eine Handlung, ein Versprechen?

 

Also lasst euch das Verzeihen etwas kosten, aber verzeiht euren «liebenswürdigen Tätern» um Gottes und wieder einmal der Liebe willen und für euch selbst!

Auch sich selbst muss ab und zu verziehen werden.

Verzeihen und vergessen können – gehören zur Beziehungsfähigkeit des Menschen. Und darin liegt ein wunderbarer Zauber.

Anhang: Kleine Hausapotheke

Wenn es stimmt, dass Ehen früh und leise zerbrechen, dann ist es notwendig, rechtzeitig innezuhalten und sich ab und zu gegenseitig ein paar grundsätzliche Frage zu stellen. Denn das Miteinander-Reden ist schon oft die Heilung. Es bringt die Partner näher und sie fühlen sich wieder einmal verstanden.

 

 

Wie zufrieden bin ich in unserer Partnerschaft?

Bewertet die folgenden Punkte mit einem Wert von 1 (unzufrieden) bis –10 (zufrieden)

  1. mit unserer Streitkultur
  2. mit unserer Lastenverteilung
  3. mit unserer Nähe und Distanz
  4. mit unserem Sexualleben
  5. mit dem gemeinsamen Gespräch
  6. mit der Kindererziehung
  7. mit der Freizeitgestaltung
  8. mit der gegenseitigen Wertschätzung
  9. mit dem Zugeständnis für persönliche Freiheiten
  10. mit unserem Freundeskreis
  11. mit dem Umgang mit Geld und Besitz
  12. mit unserer Macht- und Verantwortungsaufteilung
  13. mit unseren Essgewohnheiten
  14. mit unserer Wohnsituation
  15. mit unserem gegenseitigen Geben und Nehmen
  16. mit unserer Geschenkkultur
  17. mit unserem Vertrauensverhältnis (Treue)
  18. mit unserer Beweglichkeit und Neugier auf Neues
  19. mit unserem Engagement für unsere Beziehung
  20. mit der Kompromissbereitschaft
  21. mit unserer Liebe
  22. mit unserer gegenwärtigen Beziehung

 

Wie stark sind gegenwärtig unsere Partnerschaftsbande?

  • Band der gegenseitigen Sympathie
  • Band des gegenseitigen Vertrauens
  • Band des «Einander-gern-Habens»
  • Band des Gebens und Nehmens
  • Band der Gewohnheit
  • Band der gegenseitigen Sicherheit (Treue)
  • Band des gegenseitigen Schutzes und Haltes
  • Band …

 

Gesamteindruck

  • Unserer Partnerschaft geht es gut. Wir müssen nichts ändern.
  • Uns geht es mittelmässig. Wir könnten etwas ändern.
  • Unserer Partnerschaft geht es schlecht. Wir müssen etwas tun.

Auch wenn nur ein Partner findet, es müsste etwas geändert werden, sollten Sie es anpacken. Denn Ehen zerbrechen früh und leise!

 

Folgende Bereiche und Themen sind alarmierend

  • Sehr dringend ist:
  • Gelegentlich einmal angehen:
  • Kann noch warten:

 

Wie gehen wir vor?

  • Wir unternehmen nichts und lassen die Zeit heilen.
  • Wir diskutieren und verhandeln, bis wir eine Lösung haben.
  • Wir machen auf Zeit deine Variante.
  • Wir machen auf Zeit meine Variante.
  • Wir besprechen es mit …
  • Wir gehen zur Beratung.
  • Wir sind uns uneinig und würfeln.

Oft kann ein Paar selbst versuchen, die Störungen zu beheben. Wenn aber bereits zu viel Geschirr zerbrochen ist, dann ist es dringend notwendig, zu einem «Paardoktor» zu gehen, weil ein selbst gekochter Tee meist nicht mehr reicht.