Gesellschaftliche Entwicklungen und unsere Rolle darin sind ein Steckenpferd der VBG. Das kommt auch in der März-Ausgabe des VBG-Magazins «Bausteine» zum Ausdruck: Wir diskutieren mit Studierenden über die Denkweisen, die unsere Kultur prägen, wir sprechen explizit Leiterinnen und Leiter an und fragen, wie junge Menschen nach einer akademischen Ausbildung in ihre persönliche Berufung finden können. Das alles aus gutem Grund: Wer heute Matura und Studium absolviert, übernimmt morgen verantwortungsvolle Aufgaben in Beruf und Gesellschaft. Kein Wunder also, dass immer wieder die Frage auftaucht, wie wir unsere kulturellen Institutionen prägen wollen oder sollen. Schon während meinem Studium brachte es ein Vortrag auf den Punkt: «Brauchen wir eine christliche Avantgarde?»
Eine gesellschaftliche Vorreiterrolle zu spielen, hat natürlich seinen Reiz. Wie viel Gutes könnte man bewirken, wie viel Unrecht beseitigen bei einem solchen «Gang durch die Institutionen»! Der Grat ist aber äusserst schmal: Wo geht die persönliche Berufung über in ein persönliches oder kollektives Geltungsbedürfnis? Kann eine Umgebung so toxisch sein, dass der Sauerteig nicht mehr durchsäuern, das Salz nicht mehr salzen kann?
Die Versuchung der Macht
Man muss nicht erst «Herr der Ringe» gelesen haben, um zu wissen, dass Macht korrumpieren kann – auch wenn man sie nur für Gutes nutzen möchte. Auch der Glaube kann zu Machtzwcken missbraucht werden, wie dieser Artikel zeigt. «Die Frevler merken nicht, worüber sie fallen», heisst es in Sprüche 4,19. Wer sieht, welche Versuchung von der Macht ausgeht, fällt ihr weniger schnell zum Opfer. Das braucht Demut und eine gesunde Portion Skepsis gegenüber den eigenen Motiven.
Berufung ist immer ein Zusammenspiel zwischen dem, was Gott in uns hineingelegt hat, und der spezifischen Situation, in der wir stehen. Gerade bei Menschen mit einer akademischen Ausbildung ist es gut möglich, dass ihr Lebensweg auch in verantwortungsvolle Aufgaben mit weitreichender Entscheidungsgewalt führt. Trotzdem ist es nicht die Aufgabe der VBG, eine christliche Avantgarde heranzuziehen. «Wir laden Menschen zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit Jesus Christus ein», steht in unserem Leitbild. Wir können Menschen ermutigen, in die Fussstapfen von Jesus zu treten, der «sich entäusserte und wurde wie ein Sklave» (Philipper 2,7).
Was weiter daraus wird, ist nicht in unseren Händen. Und das ist gut so.