70 Jahre in Bewegung!

2019 feierte die VBG ihr 70-jähriges Bestehen. Das Jubi­läumsfest am 7. September zeigte auf überwältigende Weise die persönliche Verbundenheit vieler Menschen mit der VBG. Diese Verbundenheit hat wenig mit der Organisation zu tun, sondern ist zurückzuführen auf spezifische Personen, auf prägende Begegnungen und gemeinsame Erfahrungen.

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Es liegt in der Natur der Sache, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl der VBG innerhalb von Generationengrenzen verläuft. Jede Generation von Studierenden, Schülerinnen und Schülern muss die VBG wieder neu für sich entdecken. Damit dies funktioniert, braucht es einen kontinuierlichen Balanceakt zwischen dem, was wir als klaren Auftrag definieren und der Flexibilität und Liebe, die nötig ist, um immer wieder neue Generationen mit dem zu erreichen, was uns auf dem Herzen liegt.

In Menschen investieren

In der 70-jährigen Geschichte der VBG gab es leider auch Enttäuschungen und Verletzungen. Gleichzeitig ist es überwältigend zu hören, wie viele Menschen von der VBG positiv geprägt und gefördert wurden, in ihrem Glauben und als Persönlichkeiten. Es war und ist eine Spezialität der VBG, direkt in Menschen zu investieren. Schon die Entstehung der VBG war davon geprägt. Das gleiche gilt für unsere internationale Dachorganisation, die IFES, zu deren Gründungsmitgliedern die VBG zählt. Die IFES entstand «bottom up» als ein Zusammenschluss eigenständiger, nationaler christlicher Studierendenbewegungen. Damals bei der Gründung waren es zehn, heute sind es 160.

Die Spannung zwischen der von bestimmten Personen getragenen, organisch gewachsenen Bewegung auf der einen Seite und der institutionalisierten Form dieser Bewegung auf der anderen Seite ist für die VBG charakteristisch. Sie ist ein Teil unserer DNA, der wir Sorge tragen müssen. Die Identität der VBG als Bewegung bedeutet, dass wir uns über Vision und Auftrag definieren, statt über Strukturen oder Mitgliedschaften. Eine hilfreiche Formel ist dabei «So viel Struktur wie notwendig, so wenig wie möglich». Dazu gehört, dass die angestellten Mitarbeitenden sich nicht in die Rolle der Verwaltenden drängen lassen, sondern Zeit und Energie in Multiplikatorinnen und Multiplikatoren investieren. Gleichzeitig braucht es ein gutes Mass an «Verwalten», es soll z.B. nicht sein, dass wir wegen einem suboptimalen Projektmanagement die vorhandenen zeitlichen und finanziellen Ressourcen nicht verantwortungsvoll nutzen.

Dabei kann es hilfreich sein, immer wieder auf die Anfänge zurückzuschauen und in besonderer Weise auf die zur Vorsicht mahnenden und zur Veränderung drängenden prophetischen Stimmen zu hören. Der VBG- und IFES-Pionier Hans Bürki wies in der Anfangszeit der VBG darauf hin, dass die Existenzberechtigung der VBG im Weitergeben des Evangeliums unter Studierenden und Gebildeten liegt. Dies war und ist der spezifische Auftrag der VBG und der anderen IFES-Bewegungen: Das Evangelium weiterzutragen, weiterzugeben, im Kontext der Hochschulen und der höheren Bildung. Diesem Kernauftrag haben wir in letzter Zeit wieder besonders Beachtung geschenkt und so steht es auch im Leitbild der VBG: «Weil wir Gottes Liebe erfahren haben, wünschen wir uns, dass Menschen Gott kennen lernen.»

Der Alltag als Berufung

Bis heute lebt die VBG von Menschen, die sich ehrenamtlich in ihrem Alltags-Umfeld investieren und dieses als Wirkungsfeld und Ort der Berufung entdecken und erleben. Damit der Glaube sich im Alltag lebendig auswirkt und den Stürmen und Krisen des Lebens standhält, braucht es Gemeinschaft, Vorbilder, eine gesunde, ganzheitliche Spiritualität sowie die Auseinandersetzung mit verschiedenen Weltanschauungen und kritischen Fragen. Das ist es, was die VBG ausmacht, seit 70 Jahren und bis heute.

Oft schon habe ich Sätze gehört wie «Die VBG hat meinem Glauben Weite, aber auch tiefe Wurzeln gegeben» oder «Ohne die VBG wäre ich heute nicht hier» – gemeint ist: noch im Glauben. Das stimmt mich dankbar, und das kann ich ein Stück weit auch von mir selbst bezeugen. Die VBG verbindet Glauben und Denken, Glauben und Alltag, aber auch die verschiedensten christlichen Kirchen, Konfessionen und Traditionen. Dieses verbindende Element der VBG scheint mir besonders wertvoll und ein Markenzeichen, dem wir Sorge tragen müssen. Die VBG verbindet natürlich auch Menschen in den verschiedensten Gefässen und Gruppen, aber auch in unzähligen Freundschaften und Ehen, die daraus entstanden sind. In einer Zeit, in der Vereinsamung und Unverbindlichkeit zunehmend als Probleme erkannt werden, ist dies etwas besonders Kostbares.

Ich bin überzeugt: Es braucht die VBG heute mehr denn je. Wir leben in einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels, in einer Zeit, in der ein Studium zum Kreditpunktesammeln verkommt, in der Dinge wie Charakterbildung, Ethik und die grossen Fragen des Lebens oft keinen Platz mehr haben. Wir leben in einer Zeit, in der christlichen, insbesondere missionarisch gesinnten Menschen und Organisationen teilweise eisiger Wind entgegen bläst, und in der viele junge Menschen, ganz besonders im höheren Bildungsbereich, sehr herausgefordert und verunsichert sind. In einer Zeit, in der christliche Schüler, Studierende, Lehrpersonen und Akademiker sich kaum trauen, ihren Glauben öffentlich zu bezeugen, weil sie Nachteile befürchten. Hier haben wir eine Mission, die nicht nur weiter geht, sondern wichtiger und gefragter ist denn je! Wir bleiben dran, Glauben und Denken zu verbinden, Menschen im Umfeld der höheren Bildung auf Gott hinzuweisen – und natürlich auch, Menschen miteinander zu verbinden und ganzheitlich zu fördern. Auf weitere 70 Jahre!