Die Auferstehung – erfunden und erlogen?
Ob der christliche Glaube grundsätzlich vertrauenswürdig ist, entscheidet sich ganz wesentlich an der historischen Plausibilität des Ostergeschehens. In ihrem Referat bei MEHRGRUND 2018 skizziert Johanna Mahler-Gündel die wichtigsten Argumente.
Die Auferstehung von Jesus Christus aus einer historischen Perspektive zu betrachten, hat für mich eine sehr persönliche Komponente. Meine Kindheit war nicht religiös geprägt. Ich bin mit 14 Christin geworden, doch während dem Studium wuchsen meine Zweifel am christlichen Glauben und ich begann, mich als Skeptikerin zu bezeichnen. In dieser Zeit setzte ich mich stark mit verschiedenen Weltanschauungen auseinander. Ich realisierte, dass die christliche Weltanschauung einen historisch überprüfbaren Anspruch hat: Ob der christliche Glaube wahr oder falsch ist, steht und fällt mit der Historizität der Auferstehung. Sie erbringt den Beweis, ob Jesus tatsächlich Gottes Sohn war.
Diese Einsicht bedeutete, dass ich einen Anknüpfungspunkt für meine Zweifel hatte. Wollte ich herausfinden, ob am christlichen Glauben etwas dran ist, dann musste ich zuerst die Auferstehung untersuchen. Diese Argumentation verfolgt auch Paulus im ersten Korintherbrief: «Wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos». (1. Korinther 15,16-17)
Alles Illusion?
Ohne die Auferstehung von Jesus fällt der christliche Glaube wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das bedeutet zugleich, dass die Wahrheit des Glaubens nicht davon abhängig ist, in wie vielen Tagen die Welt entstand, welche sexuelle Orientierung ich für angemessen halte oder ob mir die Botschaft der Bibel ganz grundsätzlich gefällt oder nicht. Ob der christliche Glaube wahr oder falsch ist, hängt einzig davon ab, ob Jesus auferstanden ist. Wenn er nicht auferstanden ist, ist alles eine Illusion.
Die Auferstehung als reales oder fiktives Ereignis der Vergangenheit können wir mit den Werkzeugen der historischen Forschung untersuchen. «Geschichte ist nicht durch Versuche wiederholbar», erklärt der Althistoriker Jürgen Spiess. «Historiker arbeiten nicht wie Naturwissenschaftler […], sondern wie Juristen. Sie rekonstruieren vergangene Ereignisse aufgrund von Quellen, Indizien und Zeugenaussagen; sie führen also einen ‹Indizienprozess›.»
Unsere Leitfrage ist deshalb, ob es aufgrund der vorhanden Quellen plausibel ist, dass Jesus auferstanden ist. Der Grossteil der akademischen Geschichtsforschung – also auch Historikerinnen und Historiker, die dem christlichen Glauben gegenüber kritisch eingestellt sind – hält fünf Befunde für gesichert:
Jesus hat gelebt.
Er wurde unter Pontius Pilatus gekreuzigt.
Das Grab, in das er gelegt wurde, war wenig später leer.
Kurz nach dem Tod von Jesus behaupteten verschiedene Menschen, dass sie dem Auferstandenen begegnet seien.
Diese Menschen gründeten Gemeinden und waren bereit, für ihren Glauben Verfolgung und Tod auf sich zu nehmen.
Entgegen einschlägigen Meinungen im Internet ist unbestritten, dass Jesus eine historische Person war.
«Gegner wie neutrale oder sympathisierende Beobachter des Christentums setzen die Geschichtlichkeit Jesu voraus und lassen nicht die Spur eines Zweifels daran erkennen», schreiben Theissen und Merz in ihrer Einführung «Der historische Jesus» (2011).
Auch Bart D. Ehrman – einer der heftigsten Bibelkritiker unserer Zeit – zieht mit jenen Kreisen hart ins Feld, die eine Existenz von Jesus abstreiten. Ihre Ansichten seien «für 99,9 Prozent der wirklichen Experten so extrem und nicht überzeugend», dass man sie nicht ernst nehmen könne.
Was die Kreuzigung unter Pontius Pilatus angeht, schreibt Tacitus (geboren 55 oder 56 n.Chr.): «Der Mann, der diesen Namen [Chrestiani] hatte entstehen lassen, Christus, war während der Regierung des Tiberius durch den Procurator Pontius Pilatus mit dem Tod bestraft worden».
Der jüdische Historiker Josephus (geboren 37 oder 38 n.Ch.) beschreibt zudem die Art und Weise des Todes, wie J.P. Meyer erklärt: «Josephus […] sagt […], dass zu der Zeit ein weiser Mann war, der Jesus genannt wurde, einen guten Lebenswandel aufwies und als tugendhaft bekannt war und viele Leute von den Juden und von anderen Völkern als Jünger hatte. Pilatus hatte ihn zur Kreuzigung und zum Tode verurteilt.»
Nächstes Indiz: Das leere Grab. Die Botschaft vom auferstanden Messias wäre schnell im Keim erstickt, hätte man einen Leichnam im Felsengrab nachweisen können – schliesslich wusste man in Jerusalem, wo Jesus begraben worden war.
Tatsächlich ist das leere Grab in der Antike nie bestritten worden, weder von der jüdischen Elite noch von den römischen Besatzern. Unklarheit herrschte lediglich darüber, wie es zum leeren Grab gekommen war. (Die verbreitete Behauptung, der Leichnam Jesu sei gestohlen worden, findet sich schon in den Evangelien, vgl. Matthäus 28,13.)
Das leere Grab
Das leere Grab ist noch kein Beweis für die Auferstehung, aber eine wichtige Voraussetzung dafür. In den Evangelien erscheinen drei Zeugengruppen: Die römischen Soldaten, die das Grab bewacht hatten; die Frauen, die für die Einbalsamierung gekommen waren; sowie die Jünger, die sich vom leeren Grab überzeugen wollten.
Bemerkenswert bei dieser Aufzählung ist insbesondere die Nennung von Frauen als Zeugen für das leere Grab. Vor Gericht hatte die Aussage einer Frau im damaligen Judentum nämlich keine Gültigkeit. «Das Zeugnis einer Frau ist nicht rechtsgültig wegen der Leichtfertigkeit und Dreistigkeit des weiblichen Geschlechts», lesen wir bei Josephus. Hätte man die Geschichte vom leeren Grab erfunden, dann wären die fabrizierten Zeugenaussagen einer Gruppe von Frauen der denkbar schlechteste Beleg dafür gewesen. Dass die Evangelien genau diese – eigentlich ungeeignete – Zeugengruppe ins Feld führen, untermauert ihre historische Authentizität und Zuverlässigkeit.
«Dass so viele Personen die gleiche halluzinatorische Erfahrung machen, ist sehr unwahrscheinlich.»
Was die Begegnungen mit dem Auferstandenen betrifft, so gilt der erste Brief von Paulus an die Korinther als eine der ältesten Quellen. Es ist wahrscheinlich, dass Paulus von Augenzeugen über die Jesusbegegnungen wusste.
Demnach erschien Jesus «dem Kephas [Petrus], dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Zuletzt erschien er auch mir.» (1. Korinther 15,5-8)
Ob Jesus diesen Menschen tatsächlich begegnet ist, lässt sich schwer nachweisen. Dass die ersten Christen aber von Jesusbegegnungen berichteten, können wir als historische Tatsache betrachten. Ebenso gesichert ist, dass die verängstigte und aufgescheuchte Jüngerschar kurz nach diesen kolportierten Begegnungen ein verändertes Verhalten an den Tag legte.
Die Jünger predigten öffentlich und in einem wachsenden geographischen Umkreis, dass Jesus auferstanden ist – und sie waren auch bereit, für ihre Botschaft schwere Konsequenzen auf sich zu nehmen. Die Apostelgeschichte berichtet von der Steinigung des Stephanus und den wiederholten Angriffen auf Paulus.
Aber auch ausserbiblische Quellen belegen die gesellschaftliche Ächtung der Christen. Tacitus verweist auf die Verfolgung durch Nero im Jahr 64: «Demgemäss […] liess Nero andere schuldig sein, und belegte mit den ausgesuchtesten Strafen diejenigen, die, wegen ihrer Schandtaten verhasst, vom Volk als Chrestiani [Christen] bezeichnet wurden.»
Das ungebremste Verhalten der Jesus-Nachfolger kommt bei Jospehus zum Ausdruck: «Pilatus hatte ihn [d.h. Jesus] zur Kreuzigung und zum Tode verurteilt, aber diejenigen, die seine Jünger geworden waren, gaben seine Lehre nicht auf und erzählten, dass er ihnen drei Tage nach der Kreuzigung erschienen sei und lebe und daher vielleicht der Messias sei, in Bezug auf den die Propheten Wunderbares gesagt haben.»
Gibt es neben der Auferstehung Jesu auch andere Erklärungsmöglichkeiten für diese Sachlage? Die zwei gängigsten Alternativen sind, dass das Auferstehungswunder eine Erfindung der ersten Christen oder aber eine kollektive Einbildung war. Die erste These stellt uns vor das Problem, dass sich die Christen ihrer fabrizierten Lüge hätten bewusst sein müssen. Dass sie dafür Folter und Tod erduldet hätten, ist sehr unwahrscheinlich.
Die zweite These – dass es sich bei den Begegnungen mit dem Auferstandenen um eine Einbildung oder Halluzination gehandelt habe – könnte die feste Überzeugung der Jünger erklären.
Medizinisch gesehen treten Halluzinationen beispielsweise im Rahmen einer psychotischen Erkrankung auf und sind gekennzeichnet durch eine unverrückbare Gewissheit der Betroffenen. Diese subjektive Wahrheit ist per Definition individuell und in ihrem Inhalt von Mensch zu Mensch verschieden. Dass so viele Personen – der Korintherbrief spricht von «500 Brüdern», denen Jesus gleichzeitig begegnet ist – eine übereinstimmende halluzinatorische Erfahrung machten, ist höchst unwahrscheinlich.
Zudem waren es nicht nur Jesus-Begeisterte, die dem Auferstanden begegneten: Jakobus, der Bruder von Jesus, war ein Skeptiker (Johannes 7,5) und Paulus sogar ein erklärter Feind der neuen Lehre.
Eine rationale Erklärung
Die zwei Thesen sind nicht kategorisch auszuschliessen, aber sie erscheinen mir rational gesehen nicht als plausible Alternativen.
Die dritte Erklärungsmöglichkeit ist, dass Jesus tatsächlich auferstanden ist. Der jüdische Religionswissenschaftler Pinchas Lapide (1922 – 1997) fasst das Geschehen um die Auferstehung wunderbar zusammen: «Wenn die geschlagene und zermürbte Jüngerschar sich über Nacht in eine siegreiche Glaubensbewegung verwandeln konnte, lediglich aufgrund von Autosuggestion oder Selbstbetrug – ohne ein durchschlagendes Glaubenserlebnis –, so wäre das im Grund ein weit grösseres Wunder als die Auferstehung selbst. Rein logisch analysiert, ist also die Auferstehung Jesu das ‹kleinere Übel› für all diejenigen, die eine rationale Erklärung für die weltweiten Konsequenzen jenes Osterglaubens suchen.»
Ich kann nur zustimmen: Angesichts der Sachlage ist es nicht nur plausibel, sondern auch rational einleuchtend, dass Jesus von den Toten auferstanden ist – und der Anspruch des christlichen Glaubens somit wahr ist.