Der Glaube eröffnet uns den Alltag als einen Ort der Gegenwart Gottes. Damit erhalten auch eintönige oder mühsame Aufgaben eine neue Qualität: Sie laden uns ein, Gottes Neuschöpfung aktiv mitzugestalten.
Die «all-täglich» neue Begegnung mit Jesus Christus, die immer wieder erneuerte Erkenntnis, dass er meine Schuld, meine Trennung von Gott aufhebt, das Erfahren des Heiligen Geistes mit seiner übernatürlichen Wirkung – das reisst mich aus dem Trott, stellt meinen Alltag in den Hintergrund und ich sehe, dass es im Leben nicht um Wohlstand geht, nicht um Altersvorsorge, nicht um die Gesundheit oder gute Ausbildung meiner Kinder, sondern um die Freundschaft zu Gott, die Gemeinschaft und das Gespräch mit ihm. Fünf Minuten später aber holt mich der Alltag wieder ein. Dann müssen Mails beantwortet, müssen Kinder zur Krippe gebracht und das Velo repariert werden. Der nervige Nachbar bleibt nervig. Als Student muss ich auf Prüfungen lernen, als Angestellter Ergebnisse liefern und Zeitpläne einhalten.
Jeder von uns steht in der Gefahr, dass der Glaube von jenen «Dornen» überwuchert wird, die Jesus im Gleichnis vom Sämann nennt (Matthäus 13, 7 + 22): Die «Sorgen dieser Welt und der trügerische Reichtum», die uns hindern, das «Wort vom Reich» zu hören und zu verstehen. Damit bleibt das Wort «ohne Frucht», denn es kann nicht in der intendierten Weise in den Alltag hineinwirken.
Wir stehen in einem alltäglichen Konflikt: Jesus ruft und befreit uns zum «Fruchtbringen» und zum Dienst an seinem Reich. Unser Arbeitgeber möchte aber, dass wir für ihn arbeiten. Schnell gebe ich auch in meinem christlichen Dienst dem akuten Druck nach. Jetzt einfach einen Zettel mit Bibelversen an den Bildschirm zu kleben, vor dem Essen zu beten und das als «so viel Dienst am Reich Gottes wie möglich» zu deklarieren, reduziert den Glauben aber zum Lückenbüsser an den Stellen, wo er noch in die Agenda hineinpasst.
Jesus sagt: «Niemand kann zwei Herren dienen.» (Matthäus 6, 24) Das Leben als Christ im Alltag erfordert deshalb die intensive Abstimmung mit Jesus als unserem richtigen Herrn, eine klare Priorisierung und das Verlassen auf seine Möglichkeiten über Zeit und Raum hinaus. Sein Wille, nicht unserer steht dabei zuvorderst! In der Studierendenarbeit bemühen wir uns deshalb, in den Gruppen nicht nur intellektuelle Themen, sondern auch Spiritualität als aktive Beziehungspflege zu Jesus, Jüngerschaft als gelebte Nachfolge und Evangelisation als fröhliche Folge, nicht Ursache, der Errettung zu betonen – durchaus auch als Kontrast zu dem, was den Studierenden an einseitiger Fokussierung auf Leistung und das persönliche Engagement vermittelt wird.
Es geht nicht um Abwertung der menschlichen Bedürfnisse oder darum, keine Verantwortung zu übernehmen, sondern um ihr Delegieren an Gott als meinen Arbeitgeber. Nur dann bin ich freigesetzt für das Arbeiten an seinem Reich. Wir sind berufen zum Alltag – einem «alternativen» Alltag, der sich an dem misst, was im «Projektplan Gottes» als Nächstes dran ist und in dem Schritte notwendig sind, die unserem Umfeld auch mal verrückt, verantwortungslos oder naiv vorkommen können. Matthäus 6, 31ff. erinnert uns an diese täglich notwendigen Vertrauensschritte: «Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? … Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben.» Eine Möglichkeit, diese essenzielle Hoffnung regelmässig einzuüben, bietet das VBG-Gruppenheft «alltäglich glauben».
«Du musst nicht alles selber schaffen»
Das erfordert auch, dass wir unser Leben kritisch durchleuchten: Wo sind Konflikte zwischen dem, was mein Job, meine Familie, meine Kultur von mir fordern und dem, was Jesus will? Wir müssen Jesus das Recht einräumen, uns korrigieren zu dürfen, unsere Prioritäten umordnen zu können. In meiner Arbeit als Regional- und Bereichsleiter erlebe ich das fast täglich: Der (weltliche) Arbeiter in mir fordert unmittelbar messbare Ergebnisse, sichtbare Veränderungen, meine Einflussnahme auf Herausforderungen, das Investieren meiner Kraft, meiner Zeit, meines analytischen Verstandes. Gleichzeitig weiss ich, dass Gottes Reich deutlich effizienter wächst, wenn ich das Vertrauen in das nicht Sichtbare übe, um ein Eingreifen Gottes bitte, aus Jesu Kraft und Führung heraus arbeite (oft weniger, aber dafür spürbar am richtigen Ort zur richtigen Zeit) und auf das Wirken des Heiligen Geistes vertraue (1. Korinther 2, 4 + 5). Mein Verstand sagt mir: Fang um 6 Uhr an, dann schaffst du mehr am Tag! Jesus sagt mir: Nimm dir eine Stunde mehr Zeit mit mir! Dann musst du gar nicht alles selber schaffen, sondern erlebst mein Helfen und Lenken ganz konkret! Oft bin ich zu sehr «Martha» und arbeite «für Jesus», statt wie Maria «mit ihm» und «bei ihm» zu sein und von ihm zu lernen (Lukas 10, 38 - 42). Wer darin Faulheit und Trägheit vermutet, den möchte ich herausfordern: Probiere es aus! Überwinde deine Angst, für nachlässig und langsam gehalten zu werden und verbring mehr Zeit mit Jesus! In diesem Sinne möchte ich dich ermutigen, im Alltag ein erkennbares, mutiges, Christus-zentriertes Bekenntnis zu leben – motiviert durch Römer 8, 31: «Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?»