Mehr Grund für den Glauben
Apologetik bezeichnet die denkerische Auseinandersetzung aus christlicher Sicht mit verschiedenen philosophischen und religiösen Positionen. In der VBG geht es dabei weder um Philosophieren zum Selbstzweck, noch um eine Abwertung von existenziell-emotionalen Glaubenszugängen.
Im Umfeld der höheren Bildung, in dem wir als VBG aktiv sind, spielen wissenschaftliche Redlichkeit, sachliche Argumentation und reflektierte Denkweise eine wichtige Rolle. Hier kommt die sogenannte Apologetik ins Spiel, also die Rechtfertigung des eigenen Glaubens. Ich muss bereit sein, öffentlich auszusprechen, was meinen christlichen Glauben ausmacht und was seine Inhalte sind. Das ist auch der Grund, weshalb Apologetik für das Anliegen der VBG unabdingbar ist. Sie hat für uns eine zweifache Bedeutung: Sie dient einerseits einer Stärkung der Gläubigen, die ihre Überzeugungen überdenken und auf eine kompetente und einladende Art und Weise mit ihrem Umfeld teilen lernen. Andererseits dient sie dazu, bei kirchenfernen Menschen Vorurteile abzubauen und Denk-Barrieren zu öffnen, damit sie sich auf die existenziellen Fragen des Glaubens und auf eine Begegnung mit Jesus Christus einlassen können.
Zwar kann Apologetik niemanden in den Glauben hinein argumentieren, denn Glaube ist immer die Reaktion auf eine Gottesbegegnung. Im besten Fall aber vermag Apologetik die intellektuellen Hindernisse aus dem Weg zu räumen, welche eine Gottesbegegnung behindern.
Grenzen der Apologetik
Aus konservativen Kreisen hört man bisweilen die Befürchtung, dass Apologetik zu einem «relativierenden» oder «kritischen» Glauben führe, weil sie dem In-Frage-Stellen zu viel Raum gebe. Von liberaler Seite wiederum vernimmt man, dass Apologetik oft mit einem engen oder fundamentalistischen Glauben einher gehe, weil für jede Frage sogleich eine eindeutige, überzeugende Antwort bereit stehe. Beide Vorwürfe kann ich von meinem persönlichen Erleben her nicht bestätigen. Sie geben aber gute Hinweise darauf, wo die Grenzen der Apologetik liegen und was in der denkerischen Auseinandersetzung mit Fragen des Glaubens nicht vergessen gehen sollte.
So sollten apologetische Diskussionen nicht von Rechthaberei geprägt sein, sondern vom Anliegen, einer Frage wirklich auf den Grund zu gehen, implizite Vorannahmen zu prüfen und Argumentationsketten zu klären. Sie sollten in einem Klima stattfinden, das von Offenheit und Respekt geprägt ist und in dem niemand befürchten muss, aufgrund einer bestimmten Frage als «Ketzer» oder «Ungläubige» abgestempelt zu werden. Nicht zuletzt sollte Apologetik immer in die persönliche, existenzielle Dimension münden. VBG-Regionalleiter Joel Bänziger, Leiter der MEHRGRUND-Initiative, brachte es in einem Interview sehr treffend auf den Punkt: «Wir suchen den direkten, persönlichen Dialog. Unsere Antworten sind persönliche Antworten an konkrete Menschen.»
Das Wirken des Geistes
Zu dieser existenziellen Seite der Apologetik gehört auch eine geistliche Komponente. Gute Apologetik muss buchstäblich geistesgegenwärtig, also offen für das Wirken des Heiligen Geistes sein. Das kann bedeuten, mitten in einem logischen Diskurs die Ebene zu wechseln und ganz persönliche Worte einfliessen zu lassen. Aus christlicher Sicht kann jeder Gedankenblitz, jedes rationale «Aha»-Erlebnis einher gehen mit dem Wirken des Heiligen Geistes.
Schon Paulus, ein scharfer Denker und überzeugender Redner, hielt fest: «Meine Botschaft und Verkündigung war nicht Überredung durch gewandte und kluge Worte, sondern war mit dem Erweis von Geist und Kraft verbunden, damit sich euer Glaube nicht auf Menschenweisheit stützte, sondern auf die Kraft Gottes». (1. Korinther 2,4 – 5) Das persönliche Lebenszeugnis, die direkte Verkündigung des Evangeliums und die denkerische Auseinandersetzung mit Fragen zu Gott und Glaube können und sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Sie sind Einzelelemente, die ihre grosse Wirkung erst in der Kombination entfalten. Entsprechend müssen wir daran arbeiten, in allen drei Bereichen zu wachsen.
Gemeinschaft und Nächstenliebe
Die verschiedenen apologetischen Angebote in der VBG sollen dazu dienen, dass sich Menschen mit ihren Fragen und Zweifeln ernstgenommen fühlen, aber nicht dort stehen bleiben. Im Einzelgespräch oder im Kontext einer Gruppe begleiten die Regionalleiterinnen und Regionalleiter der VBG junge und ältere Menschen auf diesem Weg. Dabei wollen wir uns nicht nur um intellektuelles «Futter», gute Antworten und Argumente bemühen, sondern stets auch um eine Atmosphäre der Liebe und Annahme, um gelebte Spiritualität, authentischen Austausch und wachsende Beziehungen. Denn: Niemals wird Apologetik stärker sein als gelebte Nächstenliebe und eine tragfähige christliche Gemeinschaft!