Zwei Frauen im Einsatz für die VBG

Als Anne­-Lise Diserens ihre Arbeit als Angestellte für die Studierendenarbeit der VBG aufnahm, war Stella Bettini noch gar nicht geboren. Zwei Frauen, zwei Ausbildungen, zwei Lebenswege, zwei Jahrtausende, doch ein und dieselbe Hingabe für die Studierenden der VBG. Wir spüren nach, was den Arbeitsalltag von angestellten Mitarbeitenden in der VBG früher, heute und auch künftig prägen wird.

Anne-Lise Diserens – die Kämpferin

Anne-Lise Diserens’ eigene Studienzeit war geprägt von den Ambitionen und Visionen der 68er Bewegung: «Wir waren überzeugt, dass wir mit genügend Anstrengung und der nötigen Mehrheit die Welt retten können.» Man las die «Grenzen des Wachstums» vom Club of Rome, setzte sich für Ökologie und Gleichberechtigung ein und genoss die Freiheit. Mit dem Christentum passte das dazumal nicht zusammen. Als sie der «Arbeitsgruppe Umwelt» der ETH beitrat, merkte sie, dass vier von acht Mitgliedern Christen waren. «Da realisierte ich zum ersten Mal, dass Christsein und Ökologiebewusstsein sehr wohl zusammenpassen. In der VBG las man dieselben Bücher, die mich interessierten – das gefiel mir.»

Anne-Lise Diserens

Geboren: 05.08.1951

Getauft: 10.8.1952 Juni 1981 Sambia

Ausbildung: Studium der Architektur an der ETH

VBG-Ära als AMA: 1989-1992 Studierende, 1994-2015 Berufstätige

Wirkungsort in der VBG: Zürich, später überregional

Lieblingsarchitektin: Zaha Hadid

Neuland betreten

Nach dem Abschluss ihres Architekturstudiums engagierte sich Anne-Lise Diserens ehrenamtlich in der Zürcher VBG-Gruppe. Parallel zur Assistenzstelle an der ETH arbeitete sie teilzeitlich in der Studierendenarbeit der VBG, welche damals noch Studentenarbeit hiess. Der Wandel der Namensgebung zeigt exemplarisch die Umbrüche in Anne-Lise Diserens’ Wirkungszeit, zu der sie beitrug. Sie war die erste Teilzeitangestellte mit kleinem Pensum in der VBG und später auch die erste Frau in der Werkleitung.Die Studierenden trafen sich damals vorwiegend zum gemeinsamen Bibellesen über Mittag. Der Kontrast zwischen dem Zeichnungssaal und der Bibelgruppe hätte grösser kaum sein können. Der nüchterne, strenge, religionskritische Alltag der ETH wurde durchbrochen von Gemeinschaft, gelebtem Glauben und den existenziellen Fragen des Lebens. Diese Spannung war für sie oft kaum auszuhalten.

Herausforderungen

Darüber hinaus war Anne-Lise Diserens evangelistisch veranlagt, und es drängte sie, auch wenn sie selbst noch jung im Glauben war, andere mit dem Evangelium zu erreichen. «Mit Rolf Lindenmann setzten wir uns in der Mensa einfach zu anderen Leuten hin und verwickelten sie in Gespräche. Man traf noch auf echte Atheisten und konnte handfest diskutieren.»Den revolutionären Geist der 68er blieb ihr erhalten. In einem männerdominierten VBG-Alltag eckte sie immer wieder an, stellte Rollenbilder in Frage und provozierte auch gern mal, teils mittels Tatsachen, die heute kaum nachvollziehbar sind. Dass sie sich beispielsweise als Frau bewusst als ArchitektIN bezeichnete, war für manch einen zu viel des Guten. Auch die Frauengruppe, die sie mitbegründete und in der zum Beispiel biblische Stammmütter studiert wurden, trug ihre Handschrift und war für sie persönlich eine wichtige Stütze auf ihrem Weg.

Glaube wird greifbar

Anne-Lise Diserens’ Leidenschaft für Umwelt und Gerechtigkeit liess sie direkt in die VBG-Arbeit einfliessen. Besonders gern erinnert sie sich an ein Seminar, das sie an der ETH zu Bonhoeffers Haltung durchführte: «Es reicht nicht, die Opfer unter dem Rad zu verbinden. Man muss dem Rad selbst in die Speichen fallen» und die damit verbundene Diskussion um «Widerstand und Ergebung». «Mir war es immer wichtig, Themen der Zeit aufzugreifen und zu diskutieren.» Dreimal führten sie in einem interdisziplinären Team erfolgreiche Studienwochen in Moscia durch. Die umgangssprachlichen Öko-Wochen liefen unter dem Titel «Schöpfungsgemäss leben» und zogen eine Vielzahl von Studierenden an. Die christliche Weltsicht habe ihr den entscheidenden Halt gegeben, als klar wurde, dass der Idealismus der 68er an der Wirklichkeit zerbrechen würde. «Wir können die Welt nicht retten, aber wir können Zeichen des Reiches Gottes setzen.»

«Nachdem ich Jesus Christus kennen gelernt habe, hatte ich erst das Gefühl, ich müsse jetzt auch einen ‘christlichen Beruf ’ erlernen – bis ich realisierte, dass es darum geht, in jedem möglichen Berufsalltag dem Glauben Platz zu geben, das integrierte Christsein zu leben.» Dies mündete in die intensive Fachkreisarbeit von Anne-Lise Diserens, die sie in rund zwanzig Jahren in der VBG vorantrieb. Bis heute wirkt sie im Leitungsteam des Fachkreises Architektur, den sie 1989 initierte.

Stella Bettini

Geboren: 22.04.1999

Getauft: 30.09.2018

Ausbildung: Studium der Religionswissenschaften

VBG-Ära als AMA: 2022-2023 Praktikantin STU, 2023-heute AMA STU

Wirkungsort in der VBG: Fribourg, Biel

Lieblingstheologe: Fulbert Steffensky

Stella – die Weggefährtin

Stella kam im Studium in Kontakt mit der VBG: «Der Bruder einer guten Freundin leitete meine Nummer an die damalige Leiterin weiter, damit sie mich einlädt. In der VBG habe ich dann plötzlich Studienkolleginnen getroffen, von denen ich nicht gewusst hatte, dass sie Christen sind.» Schon als Kind in einem Adonialager war Stella beeindruckt und fasziniert vom Glauben, der in diesem Lager eine solch einmalige Atmosphäre zu schaffen schien. Richtig vertieft wurde ihr Glaube aber unter anderem durch die VBG.

Geburtshelferin

«Begleiten, anleiten, motivieren. Man arbeitet mit, hat die Hauptverantwortung, möchte aber gleichzeitig die Studis bestmöglich fördern.» Da sei es immer eine Gratwanderung zwischen Herausfordern und in die Bresche springen. Stella darf sich aber immer wieder überraschen lassen, wie die Studierenden aufblühen. «Aktuell bringt eine Studentin fast wöchentlich neue Leute mit in die VBG. Dadurch, dass sie selbst involviert ist, und sie die VBG als ihr eigenes Projekt sieht, lädt die sonst eher introvertierte Studentin alle ihre Kollegen und Kolleginnen ein. Im geschützten Rahmen der VBG probieren viele junge Erwachsene Neues aus, weil sie sich sicher fühlen, und entwickeln so wertvolle Softskills, die weit über ihr Fachgebiet hinausreichen.
«In Fribourg treffen wir uns jeweils am Abend in einem Studentenwohnheim. In Biel trifft sich die Gruppe über Mittag an der Hochschule, was eine gänzlich andere Dynamik ergibt.» Die Bieler Studis erzählen ihren Kollegen selbstverständlich, dass sie sich über Mittag zum Bibellesen treffen. Dafür seien die Abendveranstaltungen in Fribourg viel beziehungsorientierter. Hier finden Leute Halt, die gerade durch turbulente Zeiten gehen, eine Trennung durchmachen oder in ihrer Gemeinde nicht verstanden werden.

Spannungsfelder

Für viele Studierende ist und bleibt es eine Herausforderung, die Verknüpfung zwischen Studium und Glaube aufrecht zu erhalten. An der katholisch geprägten Uni in Fribourg ziert auch mal ein Jesus-Bild den Korridor. Es entstehen so immer wieder Diskussionen darüber, inwiefern der Glaube an eine Uni gehört. Stella ist auch schon Petitionen begegnet, die mit jeglichen Religionssymbolen aufräumen wollten. Die Meinung anderer Studierender, inwiefern Glauben und Denken vereinbar seien, gehen weit auseinander, sodass Vorträge wie die Templeton-Reihe, jüngst mit dem Physiker Ian Hutchinson, wichtige Diskursanstösse bieten.
Wie herausfordernd und gleichzeitig fruchtbar es sein kann, zum eigenen Glauben zu stehen, kennt Stella aus eigener Erfahrung als Studentin. An einer WG-Party spielte sie lange mit dem Gedanken, ob sie nun wirklich sagen sollte, dass sie soeben von einem VBG-Treffen kommt. Schliesslich überwand sie sich. Infolgedessen entwickelte sich ein zweieinhalbstündiges Gespräch über die Evangelien, und wenig später meldete sich jene Gesprächspartnerin für ein Camp in Rasa an.

Gemeinsam

Die kulturelle und kirchliche Vielfalt in Fribourg sei auch immer wieder erfrischend. «Einmal kam ein Student aus der orthodoxen Tradition an eines unserer Treffen und war sehr befremdet, wie wir bei solch hellem Licht überhaupt beten können. Ihn irritiere dieses Setting anfangs enorm», erinnert sich Stella schmunzelnd.
Am schönsten sei es, mit den Studierenden im 1:1 unterwegs zu sein. Im konkreten Mentoring oder einfach darin, dass man sich ganz individuell fragt, wo die einzelnen stehen und was sie jeweils gerade brauchen. Etwas, wofür man sich im Arbeitsalltag die Zeit immer wieder von Neuem erkämpfen müsse. Am Intensivsten mit den Studis unterwegs sei man in den Camps. Im Neujahrskurs in Moscia oder im Ora et Labora in Rasa spüre man richtig, was beschäftigt, bedrückt, bewegt und dran ist. «Davon dürfte es noch viel mehr geben», schwärmt Stella.

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