Von der Schönheit des Evangeliums

 

Nicht nur die vier Evangelien, sondern die gesamte Botschaft der Bibel ist «Evangelium», das heisst gute Nachricht (griechisch: «euangelion»). Sowohl die Bibel als auch die Weltgeschichte und die Zeitung lehren uns, dass «etwas nicht stimmt» mit der Welt; dies vor allem deshalb, weil «etwas nicht stimmt» mit uns Menschen. Wir neigen zu allerlei destruktiven Eigenschaften und Verhaltensweisen wie Egoismus, Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Korruption usw., mit denen wir uns selbst, unseren Mitmenschen und der Schöpfung schaden. Die gute Nachricht ist aber: Gott hat die Welt und uns Menschen wunderbar und gut geschaffen, und er möchte uns erlösen, verändern und prägen, sodass es wieder «stimmt» mit uns und mit der Welt. Wenn Menschen (wieder) «nach Gottes Musik tanzen»(Bernhard Ott), dann kommt es gut, dann werden Gräben überwunden, Wunden geheilt, Menschen miteinander und mit Gott versöhnt. Dann bricht Reich Gottes an. Das ist es, was Gott möchte, und was der
hebräische Begriff «Schalom» meint: Umfassender Friede und ganzheitliches Heil-Sein.

Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist eine einzige grosse Bemühung, Schalom herzustellen zwischen Gott und Mensch und unter den Menschen. Das gipfelt darin, dass Gott in Jesus Christus selbst Mensch wird. Er kommt in diese Welt und uns damit ganz nahe; er offenbart uns sein Wesen und seinen Willen ultimativ. Dies führt dazu, dass er für uns leidet und stirbt, um uns mit sich zu versöhnen. Das ist der Kern dieser guten Nachricht und macht den christlichen Glauben so einzigartig und so befreiend. Während Religionen üblicherweise Wege aufzeigen, wie die Menschen mit Gott ins Reine kommen können, sich ihm nähern und mit ihm Gemeinschaft haben können, lehrt uns das christliche Evangelium, wie Gott sich dem Menschen nähert und sich diesem annimmt. Timothy Keller formulierte das so: «Religion funktioniert nach dem Prinzip: ‘Ich gehorche, und darum nimmt Gott mich an.’ Das Prinzip des Evangeliums lautet: ‘Gott nimmt mich an, weil Christus alles für mich getan hat, und darum gehorche ich’».

Das hat Auswirkungen, die grösser sind als das individuelle Heil oder ein «Ticket in den Himmel». Ein Christ, der sich nicht als besserer Mensch, sondern als begnadigter Sünder sieht, wird sich nicht über andere Menschen erheben. Eine Christin, deren Selbstwert und Identität nicht auf eigener Leistung (auch nicht auf religiöser Leistung) basiert, sondern auf der bedingungslosen Liebe und befreienden Gnade Gottes, kann leichter auch anderen Menschen mit Liebe und Barmherzigkeit begegnen. Auch solchen, die fremd, anders, ihr unsympathisch oder gar feindselig gestimmt sind. Eine solche neue Identität in Christus relativiert auch alle anderen, z.B. nationalen, Identitäten: «Ihr alle seid also Söhne und Töchter Gottes, weil ihr an Jesus Christus glaubt und mit ihm verbunden seid. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, habt ein neues Gewand angezogen – Christus selbst. Hier gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Griechen, zwischen Sklaven und freien Menschen, zwischen Mann und Frau. Denn durch eure Verbindung mit Jesus Christus seid ihr alle zusammen ein neuer Mensch geworden» (Galater 3,26-28). Das ist revolutionär. Es hat das Potenzial, menschliche und gesellschaftliche Gräben zu überwinden und Mauern niederzureissen. Diese ganzheitliche Botschaft von Gottes Reich und von Gottes Schalom ist nicht nur eine gute Botschaft, sondern die beste und schönste, die es gibt!