Lässt sich die christliche Auferstehungshoffnung mit einer materialistischen Sicht des Menschen vereinbaren?
Die Naturwissenschaft erklärt die Welt strikt materialistisch. Das heisst zwar nicht zwingend, dass der Mensch nur reine Materie ist, trotzdem sind in unserer Gesellschaft viele Menschen davon überzeugt: Wenn wir tot sind, ist es aus. Keine Existenz jenseits des Körpers. Was bedeutet das für ein Leben nach dem Tod? Ist nichts Ewiges an uns?
Dass der Mensch aus Körper, Geist und Seele besteht, war Teil meiner Sonntagsschulbildung: Ein Gebilde aus abgeschlossenen Bausteinen – am Ende des Lebens verwest der Körper, während die Seele in den Himmel steigt. Am Studientag der VBG führte der Neurowissenschaftler und Christ William Newsome aus, dass er nicht an eine immaterielle Seele glaube, die in einem materiellen Körper lebt. Was stimmt nun?
Biblische Linien
Tatsächlich entwirft die Bibel kein einheitliches Menschenbild, sondern verschiedene Sichtweisen auf das, was eine Person vor und nach dem Tod ausmacht. Das Alte Testament spricht vom Menschen als psychosomatische Einheit (Genesis 2,7): Gott behaucht alle lebendigen Wesen mit seinem Atem. Wem er aber den Atem entzieht, stirbt (Psalm 104,29).
Das Neue Testament kommt aus dieser Tradition, schreckt aber nicht davor zurück, zeitgenössische Modelle zu übernehmen: Körper und Seele (Matthäus 10,28), der innere und äussere Mensch (Römer 7,22). Auch wenn Paulus über das Jenseits spricht, schlüsselt er den Menschen nicht in Körper, Geist und Seele auf, sondern verharrt in unpräziser Sprache.
Die Grenzen der Sprache
Exemplarisch für die Beschreibung des post-mortalen Zustands des Menschen ist das fünfte Kapitel des zweiten Korintherbriefs, wo Paulus sich am Unaussprechlichen abkämpft. Der Apostel hält dabei keine einheitliche Lehre bereit, sondern verstrickt sich in drei verschiedene Metaphern: Er spricht vom irdischen Zelt, das nach dem Tod ein himmlisches, unvergängliches Haus wird (Vers 1). Dann wechselt er zur Metapher des Kleides: Wir haben jetzt ein Gewand, den Körper. Im Tod sind wir nackt, bis wir von Gott ein neues Gewand erhalten (Vers 3 und folgende). Als Drittes vergleicht Paulus das Diesseits und Jenseits mit dem Leben in der Fremde und in der Heimat (Verse 6 und 8).
Alle drei Metaphern sind auch in der hellenistischen Welt gebräuchlich, aber bei Paulus bekommt der Körper einen wichtigen Platz. Der Apostel leidet und seufzt über die Vergänglichkeit des Körpers (Verse 2 bis 4). Während für die unsterbliche Seele im Hellenismus die Nacktheit eine Befreiung ist, ist der nackte Zustand für Paulus unangenehm: Er erwartet einen neuen Körper. Den mystischen Zwischen-Zustand beschreibt Paulus nicht weiter. Er verlässt sogar die metaphorische Rede in Vers 5 und 10 und sagt, was ihm wirklich wichtig ist: Christinnen und Christen haben den Geist Gottes erhalten. Dieser Heilige Geist ermöglicht die Beziehung zu Gott und erhält uns über den Tod hinweg! Keine Seele, kein irdisches Zelt, kein Gewand, sondern allein Gottes Geist.
Ob der Mensch Geist, Seele oder eine psychosomatische Einheit ist, ist für Paulus nicht essenziell. Die Auferstehungshoffnung steht und fällt mit dem Geist Gottes, nicht unserem Menschenbild. Eine materialistische Anthropologie, wie etwa William Newsome sie vertritt, widerspricht nicht dem Auferstehungsglauben. Der Glaube an Gott als immaterielles geistiges Wesen geht aber über den strikten Materialismus hinaus. An dieser Frage scheiden sich die Geister. Hier gilt es mutig zu glauben.