Wie finden wir das richtige Mass an Arbeit und Ruhe?

In der Berufs- und Arbeitswelt gibt es heute zwei grosse Trends zu beobachten. Der eine Trend: entweder man ist arbeitslos – oder man arbeitet 120%. Man ist entweder nicht gefragt und kommt sich bedeutungslos vor. Oder man weiss gar nicht, wie all das scheinbar so Wichtige in einigermassen vernünftiger Zeit erledigt werden kann. Beide Extreme sind – wenig überraschend – langfristig nicht gut.

Der zweite Trend: es arbeiten immer mehr Menschen Teilzeit. Entweder weil Druck und Belastung am Arbeitsplatz es nicht anders zulassen oder weil man schlicht «mehr vom Leben» haben will. Allerdings wird die zusätzliche freie Zeit kaum nur für gemütliche Spaziergänge genutzt. Selbstgemachter Stress und Leistungsdruck, auch neben der Arbeit. Wenn wir in den Evangelien das Leben und Wirken Jesu betrachten, gewinnt man den Eindruck, dass Jesus nicht von Termin zu Termin gehetzt ist, sondern da, wo er eben grad war, gewirkt, gepredigt, geheilt und gelehrt hat. Dass Zeit und Raum war für Begegnungen und Streitgespräche, aber auch für gemeinsame Mahlzeiten und Feste. Dazwischen, eben eingebettet in den alltäglichen Lebensrhythmus, hat sich Jesus immer wieder herausgenommen aus allem Trubel und sich zurückgezogen zum Gebet.

Eine andere Quelle zur Inspiration kann die Klosterregel des Benedikt von Nursia sein. Der Alltag der Ordensleute wird darin klar gegliedert in Zeiten von Gebet, Arbeit und Lektüre. So etwas wie Freizeit kommt darin gar nicht vor. Dass die meisten Ordensleute ein sehr hohes Lebensalter erreichen, zeigt, dass sich mit den vorgeschlagenen Rhythmen ausgezeichnet leben lässt. Möglicherweise liegt gerade in der Gleichmässigkeit der Tages- und Jahres-Abläufe eine grosse Stärke.

Getrost reduzieren

Natürlich leben wir weder zur Zeit Jesu noch in einem Kloster des fünften Jahrhunderts. Dennoch lohnt es sich, darüber nachzudenken, was in unserem konkreten Lebensalltag wirklich sein muss – und was getrost auch weggelassen oder geändert werden kann. In der VBG empfehlen wir für den alltäglich gelebten Glauben gerne die folgende Faustregel: pro Tag 10 Minuten stille Zeit für Gott, pro Woche einmal eine Stunde am Stück, jeden Monat einen ganzen Tag und einmal pro Jahr eine Woche. Die konkrete Ausgestaltung ist natürlich je nach Alter, Lebens-, Berufs- und Familiensituation sehr verschieden möglich. Auch das VBG-Heft «alltäglich glauben» gibt vielerlei Anregungen, den Glauben im Alltag gestalten und leben zu können. Sich regelmässig Zeit nehmen zur Pflege der Gottesbeziehung ist kein nettes Anhängsel im Leben, wenn’s grad passt. Wenn Jesus-Nachfolge Ziel und Mitte unseres Lebens sein soll, geht es gar nicht anders. Denn es ist ja kein Müssen, es ist unsere Antwort auf seine Liebe zu uns.