Immer mal wieder wirft man den Christen vor, dass sie mit Weihnachten bloss ein heidnisches Fest neu aufgelegt hätten. Natürlich haben die Christen das Rad nicht neu erfunden. Aber es ist ja auch nichts Verwerfliches daran, einem Fest, welches einer tieferen Wahrheit auf der Spur war, die Ehre zu erweisen dieser Wahrheit neuen Raum zu geben. Schliesslich konnte kein Heide der Antike wissen, dass die wahre Sonne der Gerechtigkeit erst noch aufgehen wird.

Doch wechseln wir für einmal die Perspektive. Anstatt der frühen Kirche vorzuwerfen, dass sie kulturelle Aneignung betrieben hätte, indem sie das Datum der Geburt des Herrn auf die Wintersonnenwende legte, könnten die Christen heute eigentlich der gesamten westlichen Welt vorhalten, alle Jahre wieder kulturelle Aneignung in Höchstformat an einem jahrhundertealten religiösen Brauch zu begehen.

C. S. Lewis hat um 1954 mit spitzer Feder einen höchst amüsanten Essay mit dem Titel «Xmas und Christmas» verfasst (in: Durchblicke, 2019, Fontis Verlag). Darin nimmt er die Perspektive eines beschreibenden Soziologen ein, der ohne tieferes Vorwissen, den Rummel der Advents- und Weihnachtstage beschreibt.

«Mitten im Winter, wenn Nebel und Regen am häufigsten sind, feiern sie ein großes Fest, das sie Exmas nennen. Fünfzig Tage lang bereiten sie sich darauf vor. Zunächst ist jeder Bürger verpflichtet, jedem seiner Freunde und Verwandten ein quadratisches Stück Karton mit einem Bild zu schicken, das in ihrer Sprache Exmas-Karte genannt wird […] Und weil alle Menschen diese Karten verschicken müssen, füllt sich der Marktplatz mit der Menge derer, die sie kaufen, so dass viel Stress und Müdigkeit entsteht.»

Lewis beschreibt den Frust und Unmut jener Unglücklichen, die Karten erhalten von Leuten, denen sie keine schicken wollten und dann doch gezwungen sind, auch ihnen ein solch sonderbares Stück Karton zu senden. Diese Kartonstücke trügen nichtsaussagende Bilder von irgendwelchen Landschaften und Tieren, deren Hintergrund niemand mehr nachvollziehen könne. Noch kurioser wird es bei der Geschenktradition.

«Sie schicken sich auch gegenseitig Geschenke, wobei sie unter den Geschenken genauso leiden wie unter den Karten, oder sogar noch schlimmer.Denn jeder Bürger muss den Wert des Geschenks erraten, das ihm jeder Freund schicken wird, damit er ein Geschenk von gleichem Wert entgegnen kann, ob er es sich leisten kann oder nicht. Und man kauft sich gegenseitig Geschenke, die sich kein Mensch je für sich selbst gekauft hätte. Denn die Verkäufer, die den Brauch verstehen, bieten allerlei Firlefanz an, und was sie das ganze Jahr über nicht verkaufen konnten, weil es nutzlos und lächerlich war, verkaufen sie jetzt erfolgreich als Exmasgeschenk.»

Am Abend vor dem Fest, welches den eigentlichen Höhepunkt dieser merkwürdigen Zeit markieren sollte, überisst sich die Mehrheit aller Bürger in komplettem Masse, sodass sie am Tag danach unter den Folgen des Essens und Trinkens zu leiden haben und sich griesgrämig ausrechnen, wieviel sie dieses Jahr für Geschenke und Wein ausgegeben haben.

Lewis stellt in seiner Feldforschung fest, dass da noch eine kleine Gruppe Bürger ist, die am selben Datum wie Exmas ein Fest namens Christmas feiern, zu Ehren eines Gottes, der Mensch geworden sei. Nach kurzer Befassung mit diesem völlig anderen Fest, welches unverständlicherweise einen Zusammenhang mit Exmas haben soll, zieht Lewis das Fazit:

«Die Aussage, dass Exmas und Christmas dasselbe sind, ist nicht glaubwürdig. Es ist unwahrscheinlich, dass so viele Menschen, selbst wenn sie Barbaren sind, so viele und schlimme Dinge zu Ehren eines Gottes erleiden, an den sie nicht glauben.»