Wer bin ich? Wozu lebe ich? Gibt es für mein Leben so etwas wie eine Berufung, ein höheres Ziel? Fragen, die viele Menschen von Kindheit bis ins hohe Alter beschäftigen – und mit denen sich die Teilnehmenden des letzten enVie-Neujahrskurses befasst haben.

 

Unsere Berufung zu entdecken ist eine der spannendsten Lebensaufgaben. Ja, Sinn und Erfüllung unseres Lebens hängen wesentlich davon ab, dass wir lernen, unsere von Gott gegebene Berufung zu hören, zu verstehen, darauf zu antworten und konsequent darin zu leben.

Wie fühlt sich Berufung an?

Interessant ist, dass für viele Menschen das Wort Berufung etwas Positives auslöst und auf eine Sehnsucht trifft. Intuitiv spüren wir, wenn ein Mensch in seiner Berufung lebt. Man merkt zum Beispiel, ob jemand «aus Berufung» Lehrer, Mutter, Arzt, Gastgeberin, Handwerker, Politikerin usw. ist, oder ob er oder sie sich mit seinem Leben und Arbeiten irgendwie herumquält. Hier fünf Kennzeichen, wie es sich anfühlt, wenn wir «aus Berufung leben»:

  • Ich kann sein, wer ich bin, muss nicht eine Rolle spielen oder einen Job ausfüllen.
  • Ich habe Ideen und Energie, bin inspiriert und kreativ.
  • Ich erkenne, was mein Beitrag zum grösseren Ganzen ist, und erfahre mein Leben als ein Geben und Nehmen.
  • Ich lerne auf meinem Gebiet gerne Neues dazu und wachse an Widerständen.
  • Ich lebe in einer lebendigen Spannung zwischen Sich-Finden und Sich-Loslassen
Eine dreifältige Berufung

Doch was ist Berufung eigentlich? Die schönste Antwort auf diese Frage gibt für mich Jesaja 43,1: Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Was Gott hier zum Volk Israel sagt, gilt im Grunde jedem Menschen und zeigt drei Ebenen von Gottes Berufung:

Fürchte dich nicht. Darin liegt die Berufung zur Gottesbeziehung: Dass ich Gott nahe komme, ihn als Schöpfer- und Vater-Gott erkenne und erfahre, indem ich eine angstfreie, vertraute Beziehung zu ihm aufbaue und ihn immer besser kennen und lieben lerne.

Ich habe dich erlöst. Das ist die Berufung zum erlösten Menschsein: Dass ich mein Leben von Jesus so umwandeln lasse, dass ich immer mehr in Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden und Freude «erlöste» Beziehungen leben kann: zu Gott, zu den Menschen, zur Schöpfung, zu mir selbst.

Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Das weist hin auf die Berufung, meinem wahren Wesen gemäss zu leben und zu dienen: Dass ich lerne, vom Heiligen Geist geleitet und entsprechend meinem «Namen» – Persönlichkeit, Design, Begabungen – in den für mich von Gott «vorbereiteten guten Werken zu wandeln» (Eph 2,10).

Verantwortung übernehmen, Lernende bleiben

Die persönliche Berufung ist nicht etwas Statisches, das man irgendwann gefunden hat, sondern sie entwickelt sich über die ganze Lebenszeit. Immer wieder geht es darum, entsprechend meiner Lebensphase alle drei Berufungsdimensionen zu kultivieren, auch zu verstehen, wie sie zusammenspielen – und dafür Verantwortung zu übernehmen: für meine Gottesbeziehung, mein Beziehungsnetz, meine Ressourcen, mein Mass, meine Zeitgestaltung, meine Entscheidungen. Gleichzeitig darf und soll ich offen sein für neue Erfahrungen, unerwartete Begegnungen und Weichenstellungen, die Gott in mein Leben bringt, und so fortwährend ein Lernender darin bleibe, was es in jeder Situation heisst, entsprechend meiner Berufung zu leben.

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