Warum der Kampf oft ein Krampf ist und trotzdem Spaß macht
Seit meiner Kindheit hat mich Kämpfen in den Bann gezogen. Ob es daran liegt, dass ich schon bei meiner Geburt mit einem königlichen Schwertstreich zur Welt kam – einem Kaiser-Schnitt? Oder bloss am Y auf meinem 23. Chromosomenpaar? Wie dem auch sei – ich vermute, das Kämpfen wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Meine Legoritter haben epische Schlachten geschlagen. Bekamen wir in der Primarschule die Aufgabe, ein Kartonhaus zu basteln, dann haben wir natürlich eine mächtige Burg gebaut und dazu eine Armee aus Korkzapfensoldaten fabriziert, um die Burg auch zu verteidigen. Mit meinem Bruder habe ich unzählige Holzschwerter und Pfeilbögen geschnitzt, mit denen wir gegen imaginäre Armeen in den Kampf gezogen sind.
Das Leben als Kampf – und die Liebe als Sieg
Meine Vorliebe für Holzschwerter habe ich grösstenteils verloren – die Faszination für den Kampf ist geblieben. Ein Blick in die Kulturgeschichte zeigt mir, dass ich damit nicht allein bin: Paris gegen Achilles, Siegfried gegen den Drachen, David gegen Goliath, Frodo gegen Sauron. In fast allen grossen Geschichten geht es um Kämpfe oder um Liebe, meist um beides.
Was hat das nun mit uns friedfertigen Christen zu tun? Ich bin fest überzeugt, dass die Anziehungs-kraft dieser Geschichten daher rührt, dass sie die existenzielle Erfahrung des Lebens als Kampf widerspiegeln. Paulus selbst ermutigt Timotheus: «Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergrei-fe das ewige Leben, zu dem du berufen worden!» (vgl. 1. Tim 6.12, EÜ) Ein offizieller Aufruf, dass auch Christen kämpfen sollten. Und wem das noch nicht genügt, dem sei gesagt, dass Jesus den Tod «besiegt» hat. Er hat ihn weder überredet noch umgangen, oder einen Nichtangriffspakt mit ihm geschlossen. Jesus hat den Tod besiegt – durch die Liebe.
Die drei Schlüsselelemente im Kampf
Wenn ich an unsere Kindheitskämpfe zurückdenke, sehe ich einen roten Faden, der sich durch all unsere Abenteuer gezogen hat, ohne dass wir uns je bewusst darauf geeinigt hätten:
1. Klarheit: Es war immer klar, wer die Guten und wer die Bösen sind.
2. (Scheinbare) Aussichtslosigkeit: Die Guten waren den Bösen zahlen- und kräftemässig immer weit unterlegen.
3. Zuversichtliche Hoffnung: Am Ende gewannen immer die Guten. Wenn auch oft in extremis.
Auch Davids Kampf gegen Goliath weist diese drei Merkmale auf, und ich glaube, sie enthalten geistliche Wahrheiten, die uns in unseren menschlichen und geistlichen Kämpfen unbedingt bewusst bleiben müssen:
Klarheit soll nicht zum Schubladisieren einladen, sondern uns davor bewahren, mitten im Kampf plötzlich die Seiten zu wechseln. Die Verlockung kann gross sein, den Feind mit seinen eigenen Waffen schlagen zu wollen. Dass dies nicht aufgeht, zeigt kaum eine Geschichte besser als «Der Herr der Ringe». Unzählige Figuren sehen sich mit der Versuchung konfrontiert, den einen Ring, die Waffe des Feindes, selbst zu benutzen, um Gutes zu tun.
(Scheinbare) Aussichtslosigkeit stellt die Grundherausforderung von uns Menschen dar, angesichts des vermeintlich Unmöglichen zu verzweifeln. Wenn es eine Gegnerseite gibt, die gegen uns (und gegen Gott) ankämpft, dann ist sie sich bewusst, dass sie letztlich verlieren wird. In diesem Fall ist die stärkste Waffe des Feindes Angst und Hoffnungslosigkeit, die uns blind macht für die Wahrheit, dass es Grund zur Hoffnung gibt.
Diese zuversichtliche Hoffnung gibt uns wiederum Gelassenheit im Blick auf unsere eigene Rolle und Bedeutung. Der Sieg steht fest und ist (zum Glück) herzlich wenig von unseren eigenen Beiträgen abhängig. Unsere Aufgabe ist es «zu entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen wollen, die uns gegeben ist», wie Gandalf bei Tolkien sagt. Oder etwas paulinischer gesprochen: Wir sind gerufen, «den guten Kampf zu kämpfen, den Lauf zu vollenden, die Treue zu bewahren.» (vgl. 2. Tim 4.7)
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