Die Geschichte Gottes mit uns Menschen gleicht einem weiten Bogen, angefangen bei der Schöpfung bis zur Wiederkunft Christi. Karfreitag und Ostern bilden den Höhepunkt dieses Bogens. Und wir sind ein Teil dieser Geschichte. Beim Lesen der Passionsgeschichte in den Evangelien begegnen wir Menschen, die mitten im Geschehen standen. Wie stellen wir uns hinein?

Der Theologe Martin Kähler (1835 – 1912) meinte: «Die Evangelien sind Passionsgeschichten mit ausführlicher Einleitung.» Von Anfang an zielt alles auf den Leidensweg Jesu, seine Kreuzigung und Auferstehung. Schon über der Krippe in Bethlehem wird das Kreuz sichtbar, als Herodes durch seinen Kindermord (Matthäus 2, 13-18) dem Kind Jesus nach dem Leben trachtet. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten ziehen im Verlauf des öffentlichen Wirkens Jesu die Schlinge immer enger zu.

Die Menschen, die Jesus damals begleiteten – und wir mittendrin

Was für Menschen waren das am Kreuzweg Jesu? Da gibt es solche, die sich aktiv involviert haben: Die bereits erwähnten Hohenpriester und Schriftgelehrten, oder Judas, der möglicherweise durch seinen Verrat an Jesus diesen zwingen wollte, sich als politischer Befreier zu zeigen.
Da gibt es auch diejenigen, die wider Willen Teil der Geschichte wurden: Dazu gehört Pilatus, dem die ganze Sache peinlich war, der Auswege suchte, um sich aus der Affäre zu ziehen, der aber dann doch aus politischem Kalkül dem Druck nachgab. Auch Simon von Kyrene, der als zuf ällig am Wegrand Stehender gezwungen wurde, dem völlig entkräfteten Jesus das Kreuz nachzutragen.

Auch Frauen standen am Kreuzweg. Sie weinten um Jesus. Maria Magdalena hatte auf besondere Weise die unendliche Tiefe der Liebe Jesu erfahren. Da gab es aber auch die zunächst nicht involvierten Randfiguren. Dazu gehörten die Gaffer, die sich in den Chor des Spottes hineinziehen liessen.

Und schliesslich gab es drei durch das ganze Geschehen Beschenkte:

  1. Barabbas, der an der Stelle von Jesus freigelassen wurde. Ein Mörder ist der erste durch den Tod Jesu Gerettete.
  2. Der Hauptmann unter dem Kreuz, der zur Erkenntnis kam: «Dieser war in Wahrheit Gottes Sohn» (Markus 15,39).
  3. Einer der mit Jesus Gekreuzigten, der von Jesus die wunderbare Verheissung bekam: «Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein» (Lukas 23,43)

Es geht in unserer Betrachtung der Menschen am Kreuzweg nicht um einen historisch-distanzierten Zugang, sondern um die – natürlich hypothetischen – Fragen: Zu welcher Menschengruppe hätte ich gehört? Wo wäre ich gestanden? Wie hätte ich mich verhalten? Mit welcher Figur kann ich mich am ehesten identifizieren?«Für wen haltet ihr mich?» (Markus 8,29) fragte Jesus seine Jünger. Das fragt er auch uns. Jesus sagt: «Wenn einer mir auf meinem Weg folgen will, verleugne er sich und nehme sein Kreuz auf sich.» (Matthäus 16,24)

 

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